2012 Herbstkonzert Kritiken

Konzert – Das Kammerorchester Metzingen mag es beim Herbstkonzert barock, melancholisch oder südamerikanisch

Aus dem Reutlinger General-Anzeiger vom 23.10.2012

Sinfonischer Auftritt des Akkordeons

VON DAGMAR VARADY

METZINGEN. Für ein vielfältiges und ideenreiches Programm war dank des musikalischen Leiters Oliver Bensch beim Herbstkonzert des Kammerorchesters Metzingen am Sonntag gesorgt. Allein aufgrund dieser Tatsache hätten die Reihen der Metzinger Stadthalle gerne etwas besser besetzt sein können.
Ein eleganter Einstieg gelang mit Georg Friedrich Händels Concerto grosso Opus 6 Nr. 1. Anmutig erhoben sich die Streicher, um ihre stolzen Melodienlinien in den tragenden Cembaloklang (Stephen Blaich) einzubetten. Kleine klangliche Schwächen wurden durch melodiöse Gelöstheit, die passende Akzentuierung und hochgestimmtes Musizieren ausgeglichen. Reizvoll auch der Gedankenaustausch der beiden Violinen von Beatrice Erhart und Katharina Dolmetsch-Heyduck und des Cellos (Thomas Brocke), die sich schmeichelnde Beteuerungen zuspielten.
Doch das Leben ist ja nicht einförmig – und so folgt auf Fröhlichkeit durchaus auch mal Kummer. Edvard Griegs »Elegische Melodien« Opus 34 waren von melancholischem Gepräge. Ursprünglich als zwei Lieder für Gesang und Klavier ausersehen, schrieb Grieg diese später für Orchester um. Das verwundete Herz, der wunderschöne Frühling, der sich vielleicht zum letzten Mal zeigt, all dies wehmütige Klagen der Seele war doch immer auch von einem Sichfügen und einer Liebe zum Leben durchdrungen. Bensch entschlüsselte die weiten Bögen, die auf- und abschwellenden expressiven Melodien und ließ seine Musiker die Gedanken der Gedichte Aasmund Olafsson Vinjes duftig zu Gehör bringen.
Nach einem Scheitern ist jedoch wieder ein sich Aufraffen notwendig. Dies gelang mit ungarisch-neckischer Musik. Leo Weiners »Divertimento Nr. 1« bot folkloristische Einblicke in die ungarische Tonsprache. Jedem der fünf Sätze galt es, sein eigenes Gepräge zu verleihen. Mal forsch und kühn, mal verspielt oder gar tapsig, aber zumeist beschwingt und tänzelnd frönten die Musiker der magyarischen Leidenschaft.

Piazzollas Bandoneon-Konzert

Nach der Pause kam dann das rechte Glanzstück, wo das Orchester viele seiner Stärken zu präsentieren vermochte. Eine Besonderheit war das Stück allemal. Ein Akkordeon auf der Konzertbühne zu erleben, ist bekanntlich eher eine Seltenheit. Astor Piazzolla schuf mit seinem Bandoneon-Konzert »Aconcagua« einen Klassiker des Bandoneon-Repertoires. Auch wenn am Sonntagnachmittag nicht das Bandoneon (ein Handzuginstrument ähnlich einem Akkordeon) oder die Konzertina (hieraus entwickelte sich das Bandoneon) erklangen, sondern stattdessen ein Konzertakkordeon, ergab sich ein individueller Zauber wie von selbst.
Ulrich Schlumberger entlockte seinem Akkordeon eine Bandbreite an Tönen und Gefühlslagen, von schmissig bis zartschmelzend, grundsätzlich immer mit viel Empfindung. Im besinnlichen zweiten Satz wirkten einige Stellen sehr intim und improvisiert, beinahe, als würde hier ein Ensemble musizieren. Entrückte Harfentöne (Eva Bredl) berührten hier tröpfelnde Klavierklänge (Carmen Ruiz-Merino). Der rhythmische und unbändige Schlusssatz lebte von starken Akzenten und furiosen Momenten, die Oliver Bensch seinem Orchester mittels seines quirlig mitswingenden Dirigats prima zu vermitteln vermochte.

Das hingerissene Publikum wurde zuletzt mit einem Akkordeon-Nachtisch beschenkt. (GEA)

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Feurig, farbig, souverän

Aus dem Metzinger Volksblatt vom 23.10.2012

Quer durch Stile und Kontinente führte das Herbstkonzert des Kammerorchesters Metzingen. Gastsolist war der Akkordeonist Ulrich Schlumberger.

Autor: SUSANNE ECKSTEIN | 23.10.2012

Von Händel bis Piazzolla reichte die Spannweite, Nordisches und Ungarisches eingeschlossen – das originelle Programm zog trotz des sonnigen Herbstwetters zahlreiche Zuhörer an.

Das Kammerorchester zeigte sich stellenweise verjüngt, bestens präpariert und spielfreudig, der Auftakt mit Georg Friedrich Händels Concerto grosso op. 6 Nr. 1 gelang mit der gebührenden Anmut und Akkuratesse. Mustergültig wurden die Figuren ausmusiziert, zielbewusst die Sätze durchschritten, und dem Finalsatz gab das Ensemble einen tänzerischen Schwung, der bis ins Ende trug. Sauber und transparent wurde aufgespielt, von Solisten wie Ripieno-Spielern, die stilsichere Begleitung durch Stephen Blaich am Cembalo kam in den ruhigeren Passagen schön zur Geltung.
Mit Edvard Griegs zwei „Elegischen Melodien“ op. 34 hatten Bensch und die Seinen „alte Bekannte“ wieder aufgelegt. Im Vergleich zu früher war deutlich mehr Spannkraft und Frische zu verzeichnen. Bei den „Herzwunden“ bildete nicht düstere Larmoyanz die Grundhaltung, sondern kontrastreich nuancierter Ausdruck; der „letzte Frühling“ bestach durch abgestufte Saiten-Farbigkeit, die an buntes Herbstlaub erinnerte – sanftes Rot und sattes Gold. Kleine Ungenauigkeiten, die in Laienorchestern immer vorkommen, stören weniger, wenn die Musik differenziert und lebendig zum Fließen kommt, wie das nun der Fall war.
Leo Weiners „Divertimento Nr. 1“ wiederum umfasst fünf ungarische Tänze. Locker von der Hand gingen die Kontraste zwischen duftig und klangsatt, leicht und schwer, gekonnt wurden die Kunstpausen gehalten, so akkurat wie feurig kamen die Tanzrhythmen. Es roch nach Zymbal und Tanzboden, der schwungvolle „Rókatánc“ bewirkte gar Spontan-Applaus.
Klare, harte Rhythmen prägen in noch stärkerem Maß den „Tango Nuevo“-Stil von Astor Piazzolla. Besonders kantig ist „Aconcagua“, ein Konzert für Bandoneon und Orchester, das den zweiten Teil des Konzerts bildete. Wie Piazzollas Verleger wohl auf den Namen des höchsten Berges von Nord- und Südamerika gekommen war?
Die Partitur führt jedenfalls vom spannungsreichen Nebeneinander zwischen Solo und Ensemble über eine elegische Episode zu einem Gipfel des temperamentvollen Miteinanders – eine Herausforderung, die in diesem Fall nur bedingt gemeistert werden konnte.
Die Noten wurden zwar akkurat umgesetzt, das von Oliver Bensch umsichtig koordinierte Zusammenspiel funktionierte bestens, doch das mittels Perkussion, Flügel und Harfe verstärkte Orchester zeigte so viel souveräne Schlagkraft, dass etliche Passagen zu einer Gratwanderung der Klangbalance wurden. Lag es am zu leisen Soloinstrument?

Der Solist Ulrich Schlumberger hatte nämlich statt eines Bandoneons oder einer Konzertina das klassische Konzert-Akkordeon mitgebracht, und dessen feiner Klang ist offenbar nur schwer zu dem scharfen Ausdruck des Bandoneons zu bringen, der hier vonnöten wäre.
So wirkte Ulrich Schlumbergers Solopart wie ein fein ziselierter, intimer Monolog, dem komponierten Konfliktkurs wurde eher ausgewichen, und dem feurig auftrumpfenden Orchester fehlte in manchen Momenten akustisch der gleichwertige Gegenpart.

Dennoch: ein rundum gelungenes Herbstkonzert, herzlicher Beifall, zwei Zugaben.

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