1996 Herbstkonzert Kritiken

Humorig, charmant, beherzt

Metzinger-Uracher Volksblatt vom 19.11.1996

Jubiläumskonzert des Kammerorchesters  Metzingen in der Stadthalle

METZINGEN: Wer sich am Samstagabend in der Stadthalle über die  auf philharmonisches Maß angewachsene Größe des Metzinger  Kammerorchesters gewundert hat: Eben das war das Besondere dieses Konzerts.  Denn zur Feier des 25jährigen Bestehens hatten Orchesterchef Hannes  Schmeisser und sein Ensemble Gäste eingeladen, zum einen die Bläserriege  der Württembergischen Philharmonie, zum andern das unter der Leitung  von Dietmar Oberer stehende Ebinger Kammerorchester. Und so konnten Werke  von sinfonischer Opulenz geboten werden, die allesamt in der Festtonart  D-Dur standen: Johann Christian Bachs Sinfonia für Doppelorchester op. 18.3, Wolfgang Amadeus Mozarts Serenade KV 203 und Joseph Haydns 104. Sinfonie.
Gleich in der Bach-Sinfonia wurde offenkundig, daß die beiden Kammerorchester miteinander können. Unter Hannes Schmeissers umsichtiger Direktion wetteiferten rechter und linker Orchesterchor miteinander. Vor allem im Eingangs-Allegro ergaben sich daraus tolle Steigerungen. ein dauerndes Überbieten und Übertrumpfen. Auch das empfindsame, weich ausgesungene Cantabile des Andante machte ohrenfällig, daß der jüngste Sohn Johann Sebastian Bachs viel mehr mit Mozart als mit seinem Vater zu tun hat.
In der vielsätzigen Mozart-Serenade bewiesen die Instrumentalisten viel Sinn fürs Charakteristische. Die Menuette und ihre Trios waren hierfür schöne Beispiele: hier 1ändlerhaft, dort repräsentativ, hier sanglich, dort (im Oboensolo) sogar elegisch. Indessen war die eigentliche Überraschung dieses Stücks das hineingeschmuggelte Violinkonzert mit Wolfram Hepfer als Solisten. Ein Favoritensemble stand ihm zur Seite. Und mochten auch nicht alle Oktavgänge zwischen Solo und Concertino hundertprozentig rein daherkommen, die lieblich-hellen Triller, die Zartheit der melodischen Linien schmeichelten sich anmutig ins Ohr.
Höhepunkt des Werks war aber das seelenvolle Andante: eine duftige Nachtmusik, säuselnd, schmachtend. sanft, eine Oboen-Arie ohne Worte. Ohne den beherzt genommenen Tutti-Sätzen Sorgfalt abzusprechen, zeigte sich in der Verhaltenheit des Andante ganz besonders, wie akribisch genau die beiden Orchester die Mozart-Serenade gearbeitet hatten. Für Haydns 104. und letzte Sinfonie übernahm Dietmar Oberer den Taktstock. Gerade in diesem viel gespielten Repertoirestück feierte die Musikalität des Ensembles wahre Triumphe. Da riß nicht einen Moment lang die Spannung. Das hatte durchweg Esprit und Vitalität. Maestoso die Einleitung, prächtiger Tuttiglanz im Allegro.
Ausdrucksstark war das gemäß der Tempo-Vorschrift zügig genommene Andante, dessen pathetische Moll-Abschnitte groß herausgestellt wurden. Vollends begeisterte das später da-capo gegebene Menuett. Denn Dietmar Oberer wagte hier einen enorm flotten Schlag. Gleichwohl vermasselte niemand die berühmte Generalpausen-Pointe des Satzes. Ebenso kam im gedehnten Einstieg ins Trio ein charmanter Humor zum Tragen. Und aus dem Finale sprachen Überschwang und Lebensfreude. Wer mit so viel Drive und Lust musiziert, hat nicht nur das Jubiläumskonzert bravourös gemeistert, sondern auch die Meßlatte für die nächsten 25 Jahre erstaunlich hoch gelegt. Robert Maschka

Sinnenfreude im Quadrat

Hohenzollern-Alb Kurier vom 19.11.1996

Ebinger Kammerorchester und Kammerorchester  Metzingen machten ein Jubiläum zum doppelten Konzertvergnügen

METZINGEN / EBINGEN. Sie musizieren nicht zum ersten Mal miteinander.  Ihre innere Übereinstimmung teilt sich hörbar und spürbar  mit. Das Ebinger Kammerorchester und das Kammerorchester Metzingen verbindet  mehr als Person und Persönlichkeit ihrer Dirigenten. Dietmar Oberer  und Hannes Schmeisser sind seit Jahrzehnten ein enges musikalisches Gespann.  Der eine als Gastdirigent bei der Württembergischen Philharmonie Reutlingen fast schon Institution. Der andere als Konzertmeister dieses renommierten Sinfonieorchesters nicht nur bei zahlreichen Auftritten in Albstadt stets verlässlicher Partner. Beide haben ihre Liebhaber-Orchester zu Rang und Namen im Lande geführt, genießen an der Spitze der anspruchsvollen Laien-Ensembles landesweit guten Ruf und große Wertschätzung.  So lag es nahe, aus Anlass des 25. Geburtstages der Metzinger für das  jeweilige Konzertpublikum ein gemeinsames Jubiläumskonzert aufzuführen.  Festlich, beschwingt, voller heiterer Eleganz, wie es den ausgewählten  Werken zukommt, wurde am Samstag in Metzingen, am Sonntag in Ebingen musiziert.
Die begrenzten Raumverhältnisse in der Ebinger Festhalle – Platzprobleme angesichts so respektabler Orchesterstärke lassen sich einfach nicht vertuschen traten schnell hinter dem raumfüllenden Hörgenuss zurück. Die Sinfonia Kir Doppelorchester von Johann Christian Bach – ihr spritzig, eleganter Stil kommt dem musikalischen Ansatz von Dietmar Oberer sehr gelegen – ist ein selten gehörtes, akustisch besonders interessantes Stück. Dem Zuhörer wird – durch die Besetzung mit zwei kompletten Kammerorchestern und entsprechende Sitzaufteilung – eine Art Stereo-Effekt geboten. Das in den Tutti-Passagen voluminöse, im Wettstreit der beiden Orchester sehr differenzierte Klangerlebnis lebt von Kontrasten – dahinstürmendes Temperament der Geigen bringt überschäumendes Leben in den Saal, wechselt mit volltönender Ruhe der warmen Bass- und Cello-Stimmen, wird abgelöst von empfindsamer Eleganz eines weich ausladenden Andante, um im volkstümlich-heiteren Takt der Hörner fröhlich-temperamentvoll auszuklingen.
Dramatische Effekte werden von Hannes Schmeisser freigesetzt bei der  vielfarbigen, vielsätzigen Mozart-Serenade. Im ersten Andante schwingt  sich über die volltönende Orchesterstimme hinweg Wolfram Hepfers  Geige: Reif, fließend, elegisch – einmal mehr kann das Ebinger Kammerorchester  voller Stolz auf die herausragende Leistung seines Konzertmeisters verweisen.  Aber auch der reizvolle Oboenpart – die Bläsergruppe der Württembergischen  Philharmonie stand der Leistung der beiden – Streicherensembles in nichts  nach – wird noch lange nachklingen.
Nach der Pause dann wieder der tempogeladene, beschwingte, treibende  Stil des Ebinger Dirigenten. Dietmar Oberer forciert mit der abschließenden Haydn-Sinfonie – der letzten und einer der reifsten, farbigsten und modernsten des Großmeisters klassischer Instrumentalmusik – das musikalische Vermögen der beiden Ensembles und ihrer Bläserkollegen in geradezu fulminante Höhen. Konzentriert, der Spannung des Werkes hingegeben, mit Geist und Witz den Auflagen der Komposition folgend, machen die beiden Orchester ihrem guten Namen wieder alle Ehre.
Fazit für viele begeisterte Musikfreunde, denen ein gehaltvoller Sonntagabend geschenkt wurde: Das Doppelkonzert des Doppelorchesters war ein doppeltes Vergnügen. NOTBURG GEIBEL

Verstärkt vorklassisch  jubiliert

Metzinger-Uracher General-Anzeiger vom 19.11.1996

Konzert des Kammerorchesters Metzingen zum  25. Geburtstag unter Leitung von Hannes Schmeisser

Seit einem Vierteljahrhundert nun existiert das Kammerorchester Metzingen; wahrhaft Grund genug, mit einem Jubi- läumskonzert diesen Klangkörper zu würdigen, der seine Kompetenz auch aus der Tatsache der Kontinuität in seiner Leitung bezieht. Denn immerhin die letzten 24 Jahre hindurch leitete Hannes Schmeisser dieses Orchester – er leitet es heute noch – und machte es zu dem, was es darstellt.
Überzeugen von den spielerischen Qualitäten konnte man sich im Jubiläumskonzert mit der Sinfonia für Doppelorchester op. 18,3 von Johann Christian Bach, deren große Besetzung die Bühne der Metzinger Stadthalle füllte. Neben der stattlichen Quantität überzeugte das Orchester jedoch auch durch sein musikalisch-technisches Potential. Man merkte dem Klangkörper deutlich an, wie engagiert er in dieses Konzert ging – und wie gut er sich hierfür vorbereitet hatte.
Die Tempi empfand man stets als richtig gewählt und von den Ausführenden beherrschbar, die musikalischen Phrasen, verteilt auf die einzelnen Stimmregister, wurden schön herausgestellt und die Intonation (gerade der Streicher), oftmals Anlaß zu Kritik, war erfreulich gut. Kurz, die Ausführenden taten alles, um die Musik nicht nur technisch richtig, sondern auch künstlerisch ansprechend vorzutragen. Noch bevor er das Lob des Publikums einheimste, applaudierte daher Hannes Schmeisser seinen Musikerinnen und Musikern ob dieser Leistung.
Weiter in die Vorklassik ging es mit der Serenade D-Dur KV 203 von  Mozart. Einem Werk das – typisch Mozart – zunächst durch seine leichte  Hörbarkeit auffiel. Doch gelang es Hannes Schmeisser in den einzelnen  Sätzen, die musikalische Relevanz herauszuarbeiten. Dieser Mozart wollte mehr als nur unterhalten. Man verstand die musikalischen Strukturen und Zusammenhänge, wobei dem Orchester sicher auch die von der Württembergischen  Philharmonie Reutlingen hinzugezogenen Verstärkungen dienlich waren.
Erstaunlich auch, wie die Ausführenden die langen neun Sätze  hindurch ihre Konzentration beibehielten und auch noch musikalische Spannung  aufbauen konnten, die sich bis ins letzte Menuett hinein bewahren ließ,  so daß die Musik stets aktuell wirkte – Verdienst auch von Wolfram  Hepfer, der die Solovioline spielte und zeigte, wie gut er diese Aufgabe  erledigen konnte.
Eine musikalische Verstärkung gab es auch von anderer Seite; zum Jubiläumskonzert war wieder das Kammerorchester Albstadt-Ebingen mit seinem Dirigenten Dietmar Oberer eingeladen, mit dem man schon das erste große Sinfoniekonzert einstudiert hatte. Auch unter dem Dirigat von Dietmar Oberer wurde das hohe spielerische Niveau beibehalten. Dabei erwies sich die Sinfonie Nr. 104 D-Dur von Haydn alles andere als handzahm. Als letzte der sogenannten »Londoner Sinfonien« zeichnet sie sich dadurch aus, dass sie ein hohes Maß an Spiel- und Hörverständnis voraussetzt.
Die Interpretation durch das Kammerorchester Metzingen war geprägt von der direkten musikalischen Umsetzung der Ideen Haydns in konkrete Musik. Die Wiedergabe war zündend, allgemeinverständlich und doch auf hohem musikalischem Niveau. Da wirkte sogar das Menuett, das wir noch-mals als Zugabe hörten, noch künstlerisch bedeutungsvoll. lei