2014 Herbstkonzert Kritiken

Sanfte Trauer und zärtliche Melancholie

Aus dem Metzinger Volksblatt vom 24.11.2014

Zu einem Fest der dunklen Farben machte das Kammerorchester Metzingen sein Herbstkonzert. Als Solisten waren der Viola-Solist Rodolfo Mijares Cótiz und die Sopranistin Michelle Stemann dabei.

Dieses Herbstkonzert widmete das Kammerorchester Metzingen dem Thema Trauer. Zum Totengedenktag am Sonntag? Davon war zwar nicht die Rede, aber das Motto lautete:
„…dort werde ich schauen süßen Frieden, stille Ruh“, Zeilen aus der Bach-Kantate „Ich habe genug“, die – eher ungewöhnlich für ein Konzert in der Stadthalle – im ersten Teil enthalten war.

Wie immer gehörte Neues zum Programm, dieses Mal – zum Auftakt – ein Klagelied („Yizkor“) für Solo-Viola und Streicher, komponiert von Ödön Pártos im Jahr 1947. Als Solist fungierte Rodolfo Mijares Cótiz, ein „Zögling“ des venezolanischen Klassik-„Sistema“; derzeit studiert er Bratsche in Mannheim. Ihm gelang es, gemeinsam mit dem Orchester und dessen Leiter Oliver Bensch, die so herbe wie langatmige Musik zum Sprechen zu bringen, nuanciert und lebendig bewegt, und dabei feinfühlig den rechten Ton zwischen Weichheit und Schärfe zu treffen.

Als hoffnungsfrohes Gegenstück folgte Johann Sebastian Bachs Kantate „Ich hatte genug“, zwar für eine Barock-Kantate hier relativ üppig besetzt, doch mit Stephen Blaich am Cembalo stilvoll begleitet. Den Solopart übernahmen die Flötistin Ulrike Ziegler (aus den eigenen Reihen) und die Sopranistin Michelle Stemann, die als ausgebildete Geigenbaumeisterin eine Werkstatt in Celle leitet.

Umso bemerkenswerter ihre großartige Mezzo-Stimme, mit der sie die Kantate mit Ausdruck erfüllte. Zwar erschienen ihre Aussprache und die Kontrolle der hohen Lagen hie und da noch verbesserungswürdig, aber ihr volles Timbre trug auf langem Atem – mit Bach – weit über das Orchester, die Bühne und diese Welt hinaus, auch das Orchester ließ den Abschied mit unendlicher Sanftheit verklingen. Erstaunlich, was für Raritäten das Metzinger Kammerorchester immer wieder auftut. So etwa die beiden als Shakespeare-Filmmusik komponierten „Two pieces for strings“ von William Walton, die nach der Pause der Haydn-Sinfonie vorangestellt wurden. Ein gewisses Risiko für jedes Laienorchester besteht in der durchsichtigen Faktur der Stücke, die jedes Detail hörbar macht. Dafür trafen die Streicher sehr gut den Tonfall sanfter Trauer und zärtlicher Melancholie, den Walton wohl meinte.

Mut gehört auch dazu, Joseph Haydns Sinfonie Nr. 44 e-Moll aufzuführen, zumal das Werk diesen Herbst in Reutlingen zu hören war. Auch sie zeichnet sich durch Transparenz im Satz aus, die raschen Figuren wollen präzise nachgezeichnet sein, hinzu kommen Bläserstimmen. Gerade die Hörner bewiesen viel Können und Einfühlung, sie grundierten und überhöhten die Streicherstimmen sauber und klangschön.

Der Untertitel „Trauersinfonie“ stammt nicht von Haydn selbst, der wollte (angeblich) nur den langsamen Satz an seiner Beisetzung musiziert wissen; man kann das Werk auch relativ licht und leichfüßig musizieren. Hier jedoch durchzog alle Sätze ein düsterer Ernst, als würde der Untertitel wörtlich genommen.

Jeder Ton erhielt Gewicht, auch Oliver Benschs klares Dirigat wirkte kantiger als sonst. Er tat gut daran, Tempo und Spannung stets aufrecht zu halten, gerade im langsamen Satz, der mit seinen Übergangsstrecken eine Herausforderung für die engagiert Musizierenden darstellte. Umso dramatischer gelang der Finalsatz mit seinen Steigerungen, die spannungsreich ausmusiziert wurden bis zum dunkel glühenden Schluss.

Herzlicher Applaus, eine stimmungsvolle Zugabe mit Rodolfo Mijares Cótiz und der Viola.

Susanne Eckstein


Konzert – Herbstkonzert des Metzinger Kammerorchesters mit Werken von Ödön Pártos, Johann Sebastian Bach, William Walton und Joseph Haydn

Aus dem Reutlinger General-Anzeiger vom 25.11.2014

Der Tod als Leitmotto

METZINGEN. Eine heikle Sache ist es, den Tod als Leitmotto für ein Konzert zu nehmen. Ob die Metzinger Stadthalle am Samstagabend aus diesem Grunde nicht voll besetzt war? Und doch hat Oliver Bensch für sein Herbstkonzert eigentlich kein tieftrauriges Programm auserlesen, denn einige der mit dieser Thematik verwobenen Stücke lebten doch von einem Zukunftsglauben, von einer Hoffnung und somit auch einer gewissen Schwerelosigkeit. Eine schöne Einleitung in den Totensonntag!

Eher unbekannt dürfte das Stück zu Beginn gewesen sein. Der ungarische Komponist Ödön Pártos, der zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Israel zu fliehen gezwungen war, widmete sich in »Yizkor« den Abscheulichkeiten ebendiesen Weltkriegs. Das Metzinger Kammerorchester zeigte sich dieser Aufgabe gewachsen. Der anklagende, düstere Tonfall und die streckenweise schräg-atonalen Verzweiflungsrufe ließen ein eindringliches Bild entstehen. Mit dem in Venezuela geborenen Solisten Rodolfo Mijares Cótiz (Viola) war hier ein glücklicher Griff getan. Höchst expressiv und ausdrucksvoll sang er mit seinem Bogen die oftmals schwerfälligen melodischen Linien und erwies sich als empfindsamer Töne-Zauberer.

Deutlich weniger bedrückend war Johann Sebastian Bachs Kantate »Ich habe genug«. Schon der Text strahlt eine hoffnungsfrohe und positive Einstellung dem Tod gegenüber aus: »Ich freue mich auf meinen Tod« heißt es und enthüllt Bachs tiefen Glauben. In der Fassung für Sopran, Flöte, Cembalo und Streicher erhielt das Stück einen recht hellen und leichtfüßigen Charakter. Insbesondere die kundige Cembalogrundierung durch Stephen Blaich und das silberne Flötenspiel Ulrike Zieglers gaben dem Werk einen sanften und wachen Klang. Michelle Stemanns Sopranstimme ließ sich stets auf Text und Gesinnung Bachs ein und glänzte in kraftvoller und farbiger Anmut, konnte aber auch sanft und in sich ruhend »süßen Frieden« und »stille Ruh« heraufbeschwören.

Zwei kurze, reizvolle Stücke William Waltons (»Two pieces for strings«) bildeten den Übergang zur Schlusssinfonie; beide sind der Filmmusik zu »Henry V.« entnommen. Bensch ließ sein Orchester in einem der Stücke bang trauern und schließlich eindrücklich im Nichts verhallen, während er das andere ungemein sanft und mit Wehmut auslegen ließ.

Joseph Haydns sogenannte »Trauersinfonie« Nr. 44 wurde tatkräftig interpretiert. Zwar konnte man im Adagio kleine Unachtsamkeiten oder Schönheitsfehler aufdecken, doch machte das Orchester dies mit dem Rest wieder wett. Die beiden Rahmensätze verlangen viel Arbeit, welche denn auch unermüdlich in Angriff genommen wurde. Benschs bestimmende Dirigierbewegungen führten die Musiker forsch durch den letzten Satz, welcher spannungsvoll und ambitioniert glückte. Die gemeinsame Zugabe mit Rodolfo Mijares Cótiz ließ abermals die innige Spielweise des Solisten erkennen und endete in einem anerkennenden Beifall für alle Beteiligten. (vara)