2008 Herbstkonzert Kritiken

Blick in ungeahnte Tiefen

31. Herbstkonzert des Kammerorchesters Metzingen: Klassik und ausgesuchte Raritäten

Metzinger Volksblatt vom 17.11.2008

Ein Programm der Kontraste präsentierte das Kammerorchester Metzingen unter der Leitung von Oliver Bensch. Das zahlreich erschienene Publikum sparte nicht mit Aufmerksamkeit und Anerkennung.

SUSANNE ECKSTEIN

Metzingen. Spannende Kombinationen sind fast schon ein Markenzeichen des Kammerorchesters; hier wird Moderne direkt neben Klassik gestellt, Populäres aktueller Machart neben Romantik. Dieses Mal bildeten Werke von Mozart und Haydn den Rahmen. „Wieder mal etwas von Mozart“ sollte es sein: die Sinfonie Nr. 20, eine der „Salzburger“ Sinfonien. Sie wurde zum ersten Glanzpunkt des Abends, offenbar mit Liebe und Sorgfalt einstudiert. Hier zeigten Dirigent und Orchester, wieviel Können, Spannkraft und Spielfreude sie drauf haben. Perfektion war nicht zu erwarten — welches Laienorchester hat die schon? —‚ doch die Läufe und Figuren im Kopfsatz saßen akkurat, die Trompeten wurden klangschön eingebunden, die Satzcharaktere deutlich gestaltet. Duftig und leicht der langsame Satz mit der über sordiniertem Streicherteppich schwebenden Flötenstimme, kontrastreich das zwischen deftig und zart wechselnde Menuett, und festlich-schwungvoll der Finalsatz, mit dem das Orchester auf die Schönheiten und Überraschungen Mozarts aufmerksam machte.
Ein krasser Gegensatz dazu: die Filmmusik von Bernard Herrmann zum Hitchcock-Film „Psycho“. Für die Horror-Stimmung, die sie evoziert, wurde das „Prelude“ fast zu klassisch-schön gespielt; die gespenstischen Ostinati kamen mit erhöhter Spannung, doch warmem Ton. Wieviel der Wirkung die im Kopf gespeicherte Mordszene wohl ausmacht? Jeder kennt sie. Sind die Werke Aaron Copland üblicherweise als „typisch amerikanisch“, nämlich optimistisch und rhythmusbetont bekannt, spricht seine „Quiet City“ für Englischhorn, Trompete und Streicher eine ganz andere Sprache: die der Melancholie, entfaltet von den beiden Gast-Musikern Wolfgang Dautel (Trompete) und Andreas Vogel (Englischhorn). Ihre einsame, weit ausgesponnene Zwiesprache auf den sensibel nuancierten Blasinstrumenten führte vor dem Hintergrund der fast reglosen Streicherbegleitung in ungeahnte Tiefen.
Als schwerer zugänglich erwies sich Jean Sibelius‘ „Rakastava“ in der späten Streicherfassung, auch wenn der von den ursprünglichen Liedtexten herrührende Titel „Der Liebende“ den Weg wies. Die spontane Zuneigung des Orchesters zum unglücklich Liebenden ließ hier ein bisschen zu wünschen übrig. Ohne die Herausarbeitung der rhythmischen und melodischen Struktur zeigte das Werk zwar eine originelle, herbe Klanglichkeit, behielt aber seine Aussage für sich.
Zur Tradition der Metzinger Herbstkonzerte gehört die Einbindung professioneller Musiker. Neben den beiden Bläsern war dieses Mal die Violoncellistin Chihiro Saito zu Gast, Solistin und Mitglied des Lotus Quartetts. Sie verband sich mit dem Metzinger Kammerorchester in Haydns Cellokonzert C-Dur zu einer musizierfreudigen Einheit, angeführt von ihrem lebendigen und intensiven kantablen Spiel. Die Solistin bestach durch flinke Virtuosität und facettenreiche Ausdruckskraft.
Auf dieser „klassischen“ Linie fühlte sich auch das Orchester wieder hörbar wohl und machte, zusammenmit der brillanten Solistin, aus dem Finalsatz den zweiten Höhepunkt des Abends, ein sprühendes Feuerwerk der Cello- und Streicher-Laune, stets ausgewogen, doch mitreißend musiziert — und mit viel Applaus bedacht.

Konzert – Kammerorchester Metzingen mit Solisten

Reutlinger General-Anzeiger vom 17.11.2008

Mozart und Filmmusik

METZINGEN. Mut in seiner Programm-Zusammenstellung bewies das Kammerorchester Metzingen unter Leitung von Oliver Bensch: Nach dem klassischen Einstieg mit Mozarts Sinfonie Nr. 20 D-Dur, KV 133 brachten die Musiker mit Bernard Herrmanns Filmmusik zu Hitchcocks »Psycho« nicht nur die Violinensaiten zum Zittern, um daraufhin mit Aaron Coplands »Quiet City« zu besänftigen. Nach der Pause schwenkten sie von Jean Sibelius‘ Liebes-Eloge »Rakastava« zurück zur Klassik, diesmal mit Haydns Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur. Dessen Solistin Chihiro Saito hatte gewiss den ausdrucksstärksten und virtuosesten Part in diesem 31. Herbstkonzert und wurde für mitreißende Energie und den schmelzenden Ton angemessen gefeiert.
Ihr standen Trompeter Wolfgang Dautel und Andreas Vogel mit dem Englischhorn als Solisten in Coplands »Quiet City« an Ausdruckskraft nicht nach, wenn sie auch in ganz anderer Weise verlangt wurde. Die technischen Herausforderungen dieses anrührenden, oft zart schwebenden Stücks sind subtiler als Haydns Klang-Glamour, aber nicht weniger groß. Mit expressiver und fein differenzierter Dynamik entwickelte Vogel seinen vollen, die Seele wärmenden Ton. Dautel verwandelte im Dienste des Stücks – in der Schauspielmusik geht es um einen einsamen Jungen, dem die Jazztrompete Trost gibt – sein strahlendes Instrument in ein zwischen Melancholie und pubertärem Aufbegehren schwingenden Gefühlskatalysator.
Im Copland fand das Orchester zu seiner höchsten Form: Souverän und zurückhaltend legte es einen dichten Klangteppich unter die solistischen Bläser, hob sie ausdrucksstark empor. Viel Intensität steckten die Musiker auch in den Sibelius, dessen spätromantisches Pathos sie aber doch nicht ganz auszufüllen vermochten. Am wenigsten lagen ihnen die harmonischen Grenzüberschreitungen im wenig überzeugend gespielten »Psycho«-Prelude. Um so sicherer gestaltete das Orchester die klassischen Stücke: In etwas gesetztem Tempo gefiel es bei Mozart und Haydn mit seiner charmanten Sorgfalt, mit Präzision und klarer Stimmführung. (sol)