2007 Herbstkonzert

Jubiläumskonzert

am 17.11.2007 in der Stadthalle Metzingen

Arvo Pärt (geb. 1935) Collage über B-A-C-H
– Toccatta – Sicilliana – Ricercar –
Edward Elgar (1857 – 1937) Serenade für Streichorchester, e-moll, op. 20
– Allegro piacevole – Larghetto – Allegretto –
Jean Sibelius (1865 – 1957) Valse triste aus Kuolema, op. 44
Giuseppe Verdi (1813 – 1901)
arr. Andreas Tarkmann
“Verdiana” für Mezzosopran und Kammerorchester
1. Preludio
2. Il Poveretto
3. Deh, pietoso, oh Addolorata
4. Brindisi
5. In solitaria stanza
6. Lo spazzacamino
7. Ad una stella
8. L’esule
Solistin: Barbara R. Grabowski, Mezzosopran
Leitung:  Oliver Bensch

Nordischer Tief-Sinn trifft auf Mediterranen Leicht-Sinn

Das Kammerorchester Metzingen gestaltet sein 30. Herbstkonzert als Jubiläumskonzert mit einem  musikalischen Spannungsfeld: Der   zweite Programmteil ist mit der „Verdiana“, einer Bearbeitung von Klavier-Liedern Giuseppe Verdis, ganz dem Gesang gewidmet, einer der typischen Ausdrucksformen italienischer Musik;  im ersten Programmteil dagegen erklingen drei Instrumentalwerke unterschiedlicher Komponisten diesseits der Alpen. So sind grüblerisch-melancholische Klänge  einer  sich hemmungslos aussingenden Musik des sonnigen Südens gegenüber gestellt.

Ganz in der Tradition des Kammerorchesters, auch neue Töne anzuschlagen, beginnt der Abend mit der „Collage über B-A-C-H“ für Oboe, Cembalo, Klavier und Streichorchester des estnischen Komponisten Arvo Pärt (geb. 1935). Der heute in Berlin lebende Komponist ist vor allem durch seine meditativen und tonal sehr einfach gehaltenen Kompositionen einem breiten Publikum bekannt geworden. Die Collage über B-A-C-H aus dem Jahr 1964 stammt aus einer frühen Phase Pärts und ist mit seinem Gebrauch verschiedener stilistischer Illusionen ein sehr modernes Stück. Er selbst kommentiert die Musik seiner „Collagenperiode“ so: „Meine Collagen waren ein Versuch, eine Blume in fremder Umgebung neu einzupflanzen (das Problem der Gewebeanpassung: wenn sie miteinander verwachsen, so war die Transplantation der richtige Eingriff). Hierbei stand jedoch die Idee der Verpflanzung nicht im Vordergrund – vielmehr wollte ich eine einzige Blume selber züchten.“ Diese „neue Blume“ entsteht durch das Schwanken zwischen den verschiedenen stilistischen Idiomen. So sind im ersten Satz Toccata die Töne B-A-C-H  nach einer barocken Einleitung ständig präsent. Im zweiten Satz Sarabande ist die Melodie ein Zitat aus der 6. englischen Suite Johann Sebastian Bachs. Ein authentisch barockes Klangbild mit Solo-Oboe, Cembalo und Streichern wird dichten Akkorden der Streicher und Clustern im Klavier gegenüber gestellt. Der letzte Satz Ricercare ist eine melodische Fuge über  das B-A-C-H-Thema. In guter Barockmanier verarbeitet Pärt das Thema mit allen kompositorischen Kniffen aus Bachs eigener Fugenpraxis.

Die Serenade ist keine Musik in bestimmten festgelegten Formen, sondern eher eine Folge von Charakterstücken und Tanzsätzen. Die Bezeichnung stammt aus dem Italienischen – sereno: heiter, sonnig und al sereno: im Freien. Es handelt  sich also um Musik, die –und zwar am Abend (sera) – oft nicht  in geschlossen Räumen gespielt wurde. Im Laufe der Zeit war sie nun nicht mehr an den äußeren Aufführungsort gebunden und meinte einfach ein nicht-symphonisches Werk in mehreren Sätzen. Diese Freiheit in der Form wurde  von  Komponisten wie etwa von Mozart genutzt, um Serenaden mit sehr persönlich gefärbter Musik zu schreiben.

Auch die Streicherserenade in e-moll op. 26, die der englische Komponist Edvard Elgar (1857–1934) 1892 komponierte, ist von einem ganz persönlichen Tonfall geprägt. Elgar, dessen Geburtstag sich 2007 zum 150.mal jährt, gilt als der berühmteste englische Komponist des 19. Jahrhunderts. Er ist vor allem durch ausladende symphonische Werke, groß besetzte Oratorien und Orchestermärsche bekannt, die noch einmal die ganze Pracht des britischen Empire entstehen lassen. Eine besondere Vorliebe zeigte Elgar aber für die fast intime Serenade, in der sich seine unverwechselbare musikalische Handschrift widerspiegelt: im Kontrast zwischen der gelösten Tonfolge und einer Art melodischen Grübelns in der Satztechnik. Im Zentrum des Werkes steht die beliebte, diskrete Zartheit des elegischen Larghettos, das wie das Urbild aller späteren langsamen Sätze Elgars wirkt. Kaum ein anderer Satz des Komponisten ist so berühmt wie dieses Larghetto. Die Serenade wurde  seinerzeit von einem englischen Verlagshaus mit den Worten abgelehnt, solche Art von Musik sei wohl unverkäuflich! Dabei enthüllt sie eine Fülle schöner melodischer Einfälle, um die manch anderer Komponist Elgar beneiden könnte.

Mit Jean Sibelius (1865–1957),  an dessen 50. Todestag man 2007 denkt, steht ein weiterer Jubilar auf dem Programm. Er gilt mit seinen eindrucksvollen kantigen, die finnische Landschaft und Seele spiegelnden Symphonien als der berühmteste Komponist Finnlands. Fast alle seine Werke entstanden  in  der ersten Lebenshälfte. In den letzten 40 Jahren seines Lebens versuchte er, die „ultimative Symphonie“ zu komponieren, was ihm tragischer (und verständlicher!) Weise nicht gelang. Da er alle Skizzen vernichtet hat, ist es leider nicht möglich, einen Eindruck seiner Bemühungen zu bekommen.
„Valse Triste“ op. 44, stammt  aus einer Schauspielmusik zu dem Drama Kuolema seines Schwagers Arvid Järnefeld.  Es ist eines seiner beliebtesten Werke. Zu dieser Musik „tanzt“ sich die im Sterben liegende Mutter des Helden in den Tod. Die Musik des „Valse Triste“ erhebt sich langsam aus einem nebulösen Erinnern zu einer melancholisch tastenden Melodie. Sie führt zu einem ausgelassen schwungvollen Walzer, der auf dem Höhepunkt abbricht und mit einer verhangenden Schlusskadenz von vier Solo-Violinen erstirbt.

Barbara R. Grabowski, Mezzosopran,  wurde in Kaiserslautern geboren und lebt heute in Mannheim.
Sie studierte Gesang an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst  Mannheim in der Gesangsklasse von Frau Prof. Vera U.G. Scherr. Nach dem Studium der Gesangspädagogik und dem künstlerischen Aufbaustudium in Lied und Oratorium schloss sie 2004 mit Diplom und Konzertexamen ab.
Meisterkurse in Gesang bei Anna Reynolds-Cox und bei Sylvia Geszty und in historischer Aufführungspraxis bei Prof. Egino Klepper folgten.

Zahlreiche Preise bei Gesangswettbewerben wie der 2. Preis beim Internationalen Koloraturgesangswettbewerb Sylvia Geszty, der 2. Preis (bei Nichtvergabe eines 1. Preises) im deutschlandweiten Hochschulwettbewerb Vokale Kammermusik, Finalistin bei internationalen Gesangswettbewerben in Passau und Meran und das Stipendium des Richard-Wagner-Verbandes sind unter Anderem zu nennen.

Sie sang an der Kammeroper Mannheim, beim Jungen Ensemble der Staatsoper Stuttgart, am Theater der Stadt Heidelberg, an der Philharmonie Essen und in Berlin. Dazu kommt rege Konzerttätigkeit in Deutschland, Luxemburg, Russland und in der Schweiz.

Im Alter von fünf Jahren begann sie – neben begeistertem Singen schon von früh an – mit dem Musikunterricht. Schon mit 15 Jahren übernahm sie die Leitung eines Männerchores, nachdem sie die C-Kirchenmusiker-Ausbildung am Bischöflichen Kirchenmusikalischen Institut in Speyer abgeschlossen hatte.

Mit Barbara Grabowski, Mezzosopran, erschien 1999 die CD mit Voglers Requiem unter der Leitung von Gerald Kegelmann, auf der 2005 entstandenen  CD mit Bachs H-Moll-Messe sang sie Mezzosopran unter der Leitung von GMD Markus Bosch.

Andreas N. Tarkmann wurde 1956 in Hannover geboren. Neben Tätigkeiten als Oboist und Klavierbegleiter, Komponist und Dirigent im Bereich der Schauspielmusik, hat er sich vor allem durch seine kreativen Arbeiten als Arrangeur in den letzten Jahren einen großen Namen gemacht. Im Auftrag international renommierter Ensembles und in- und ausländischer Rundfunksender schrieb er zahlreiche Bläserfassungen und Harmoniemusiken, u.a. von populären Werken Mozarts, Smetanas, Mendelssohns, Tschaikowskys, Mussorgskys und Prokofjews. Weiterhin hat Andreas N.Tarkmann für zahlreiche preisgekrönte CD-Produktionen die Arrangements und Instrumentationen geschrieben, so u.a. für die Veröffentlichungen mit Placido Domingo („Italia, ti amo“), Albrecht Mayer (Bach- und Händel-Recitals) und James Galway („My Magic Flute“).
Der vielseitig aktive Komponist verfasst außerdem Kadenzen und Verzierungen, z.B. für die Klarinettenkonzerte von Carl und Johann Stamitz, die in der Einspielung durch Sabine Meyer 1994 den Echo-Klassik-Preis erhielten, und rekonstruiert bzw. instrumentiert Kompositionen, wie etwa Julius Rietz´ Konzertstück für Bläserquintett und Orchester, die Joseph Haydn zugeschriebene Kantate ‚Die Teilung der Erde‘ und zuletzt Giuseppe Verdis ‚Composizione da camera‘. Seine Harmoniemusik von Mendelssohn´s Sommernachtstraum gewann in der Aufnahme der Bläsersolisten der Deutschen Kammerphilharmonie 1998 den Echo-Klassik-Preis.
Andreas N. Tarkmann ist auch ein vielseitiger Komponist, besonders erfolgreich in den Bereichen der Instrumentalmusik und des literarischen Kabaretts. Seine Vertonungen Friedhelm Kändlers, Elke Heidenreichs, Werner Fincks und Erich Kästners gehören mittlerweile zum Standardrepertoire vieler Chansoninterpreten.
Darüber hinaus feiert Tarkmann große Erfolge mit seinen Orchesterkompositionen für Familienkonzerte. Seine Andersen-Vertonungen („Die Prinzessin auf der Erbse“ und „der Mistkäfer“) gehören zu den meist gespieltesten Orchesterwerken in Kinderkonzerten der Saison 2006/07. Die WDR-Produktion vom „Mistkäfer“ wird im Frühjahr 2007 auf CD erscheinen.
Andreas N.Tarkmann lehrt heute Instrumentation und Arrangement an der Musikhochschule Mannheim.

Oliver Bensch ist seit Februar 2006 künstlerischer Leiter und Dirigent des Metzinger Kammerorchesters.
Er lernte im Alter von acht Jahren Geige und studierte dann an der Musikhochschule für Musik und Theater in Hannover.
Anschließend wirkte er mit bei Festivals, unter anderem in Salzburg, Bregenz und Hersfeld, und bei Produktionen an den Staatstheatern in Hannover und Braunschweig; dazu kamen CD-Produktionen beispielsweise mit Randy Crawford und Elsbeth Moser.
Seit 1996 ist er ausschließlich als Bratscher tätig. Neben anderen solistischen Auftritten mit Orchester oder Klavier trat er im Jahre 2003 beim 26. Herbstkonzert mit dem Kammerorchester Metzingen auf.
1999 gründete er die Junge Sinfonie in Freiberg am Neckar, wo er auch Geige und Bratsche an der Jugendmusikschule unterrichtet.
Seine Dirigierausbildung bei Gudni A. Emilsson, der seit September 2005 Chefdirigent des Thailand Philharmonic Orchestra ist, schloss er an der Bundesakademie in Trossingen im Jahre 2002 ab. Seit 2007 Dirigierstudien mit dem Schwerpunkt Opernrepertoire bei Wolfgang Heinz, Dirigent an der Staatsoper Stuttgart.