Musik von Verdi bis Pärt: das Kammerorchester Metzingen unter Oliver Bensch beim 30. Herbstkonzert in der Stadthalle
MUSIK / 30. Herbstkonzert in der Stadthalle Metzingen
Metzinger Volksblatt vom 19.11.2007
Schroffe Cluster – feinster Belcanto
Das Kammerorchester unter Oliver Bensch in bester Spiellaune: Verdi, Elgar, Sibelius und Pärt
Schwelgerische Spätromantik, krasse Klangballungen und feinster Belcanto – das Kammerorchester Metzingen präsentierte in der Stadthalle beim nunmehr 30. Herbstkonzert wieder ein außergewöhnliches Programm. Und das auch noch in glänzender Spiellaune.
OTTO PAUL BURKHARDT
METZINGEN – Ein heftiger Einstieg war das – so gar nicht im üblichen, meditativen Stil von Arvo Pärt. Die „Collage über B-A-C-H“ gehört zum kantigen Frühwerk des estnischen Komponisten (1964) und entsprechend klingt sie. Das Kammerorchester, das sich überwiegend aus Laien zusammensetzt, zeigte mit der Wahl dieses schroffen Werks mal wieder enorme Risikobereitschaft. Der Coup glückt – mit Oliver Bensch am Pult gelingt eine durchaus packende Wiedergabe, ein Wechselbad wilder stilistischer Kontraste. Dem kraftvollen Dur-Akkord im Tutti folgt programmatisch seine allmähliche Zerfaserung in lauter kleinste Dissonanzen.
Das Orchester, verstärkt von Profis, jagt solche Gegensätze mit bewundernswerter Vehemenz aufeinander. So zelebrieren die Metzinger allerschönste Bach-Klangbilder, zitiert aus der Englischen Suite (wunderbar die Oboe von Andreas Vogel, der sonst im Orchester der Ludwigsburger Festspiele mitwirkt), die dann ohne Vorwarnung von krassen Klangballungen in Ligeti-Manier weggewischt werden. Polystilistik pur – mit ebensoviel Feinsinn wie Schmackes umgesetzt.
Eins gleich vorweg: Das Kammerorchester hat die üblichen Problemzonen vieler Laienensembles – Unschärfen in Tongebung und in rhythmischer Prägnanz – auf bemerkenswerte Weise in den Griff bekommen. Und mit Oliver Bensch haben die Metzinger seit 2006 einen Dirigenten am Pult, der in Sachen Präzision und Ausdruck immer wieder Erstaunliches aus dem Orchester herausholt. So auch bei Edward Elgars spätromantischer Serenade für Streichorchester (1892): Benschs Musiker treffen den zarten, intimen Tonfall des Werks, den sie zwischendurch schwelgerisch aufblühen lassen. Stark gemacht: Klangzauber mit leichtem Wagner-Touch. Hörenswert: der sich in sphärische Höhen gen Himmel verflüchtigende Pianissimo-Schluss.
Apropos Himmelsleiter: Jean Sibelius hat seine Valse triste (1903) als Schauspielmusik zu einem Tanz in den Tod komponiert Bensch nimmt das Tempo zwar extrem langsam, erzielt damit aber eine größere Tiefenschärfe. Auch in diesem stimmungsmäßig sehr diffizilen Stück schlägt sich das Kammerorchester beachtlich, kann traumartige Melancholie, stockenden Atem und aberwitziges Accelerando vermitteln – ansprechend musiziert.
Stockender Atem
Nach derlei nordischem Tiefsinn präsentieren die Metzinger im zweiten Teil des Konzerts eher südlichen Belcanto – nämlich Verdi-Klavierlieder (1838 bis 1845), instrumentiert von dem Komponisten und Arrangeur Prof. Andreas N. Tarkmann (der etwa bei Pärt mitspielte). Er hat den kargen Tastenpart orchestriert, mit Nebenstimmen ausgeschmückt und mit verlängerten Vor- oder Nachspielen versehen. Gut, das Kammerorchester, das schon im Preludio überzeugte (virtuos: Regina Gleim an der Flöte). hüllte im Eifer des Gefechts dann den Gesangspart stark ein. Doch die Mezzosopranistin und Geszty-Schülerin Barbara R. Grabowski fand sich schnell mit der engagierten Begleitung zurecht.
In den Texten geht es um Einsamkeit, Sehnsucht, aber auch um Anekdotisches („Schornsteinfeger“) – von Gretchens Bitte aus Goethes Faust („Ach neige, du Schmerzensreiche“) bis zum Trinklied („Brindisi“} reicht die Palette. Barbara R. Grabowski, feinfühlig bis vital assistiert vom Kammerorchester, verfügt über einen vollen, blühenden, in der Linie sehr klaren Mezzo, dem lyrische Fülle besser liegt als dramatische Dynamik.
Das Kammerorchester bot so am Ende einen kleinen Opernabend mit Herz – mit teils herrlich ausgesungenen Kantilenen. Mitfühlendes Sehnen, zartes Samtpfoten-Pizzikato, gefühlige Melodien – für ein überwiegend mit Liebhabern besetztes Ensemble kam da eine reife Leistung heraus. Alles in allem: lieblich gesungen – und schmissig, mit ansteckender Spielfreude musiziert.
Konzert – Metzinger Kammerorchester spielt Werke von Pärt, Elgar, Sibelius sowie Tarkmanns Verdi-Arrangement
Reutlinger General-Anzeiger vom 18.11.2007
Einzelne Instrumente im Dialog mit der Stimme
Von Sandra Huss
METZINGEN. Das 30. Herbstkonzert des Metzinger Kammerorchesters vergangenen Samstag unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Dieter Hauswirth wurde in der Metzinger Stadthalle zunächst mit der Verleihung der Landesehrennadel an Werner Fitz feierlich eröffnet.
Es folgte ein gelungen gestaltetes Konzert, das im ersten Konzertteil ein Werk aus der frühen Schaffensperiode des in Berlin lebenden Esten Arvo Pärt neben die britische Eleganz Edvard Elgars und die tiefgründige Traurigkeit und Schwere des Finnen Jean Sibelius stellte.
Der Oboist Andreas Vogel brillierte in der Collage über B-A-C-H von Pärt, welche Clustertechnik und barockes Klangbild vermischt. Die auskomponierten Dissonanzen hätten von den Streichern noch schärfer und kantiger klingen können, verfehlten aber ihre Wirkung dennoch nicht.
Innige Gesamtstimmung
Nach dem royalen Melodienregen der Streicherserenade op. 26 von Elgar verbreitete Sibelius‘ Valse triste dessen typisch nordische Melancholie und Düsternis. Diese Gesamtstimmung wurde vom Orchester sehr innig und ausdrucksstark umgesetzt.
Vom Publikum besonders gut aufgenommen wurde das im zweiten Teil des Konzerts aufgeführte Werk »Verdiana für Mezzosopran und Kammerorchester« in Anwesenheit des Arrangeurs Professor Andreas N. Tarkmann. Musikalischer Ausgangspunkt für das Arrangement sind schlichtere Kompositionen für Singstimme und Klavier des als Opernkomponist bekanten Giuseppe Verdi. Tarkmann instrumentiert den Klavierpart im Stile Verdis für Kammerorchester und Bläser und erreicht sehr authentisch dessen üppige Klangsprache. So entstehen quasi kleine Opernarien, die große stimmliche Entfaltung zulassen und in denen einzelne Instrumente anspruchsvoll in einen engen Dialog mit der Singstimme treten.
Seinen Dialog hervorragend ausgespielt hat der junge Klarinettist Constantin Knabbe mit fabelhaft schmeichelndem Ton und immenser Feinfühligkeit. Überzeugend vorgetragen wurde auch das Querflötensolo im Preludio.
Die Mezzosopranistin Barbara Grabowski übernahm kurzfristig den Solopart für die Bayreuth-Sängerin Carola Guber. In ihrem insgesamt überzeugenden Auftritt zeigte Grabowski zunächst nur zögerlich und erst gegen Ende ihr wahres Potenzial an Ausdruck und stimmlichen Fähigkeiten. Sehr gepflegt spielte das um die Bläser erweiterte Orchester unter dem teilweise etwas sportlich ambitioniert anmutenden Dirigat von Oliver Bensch. (GEA)