MUSIK / Herbstkonzert des Kammerorchesters Metzingen
Metzinger Volksblatt vom 13.11.2006
Herzwunden und himmlisches Schweigen
Oliver Bensch dirigiert Werke von Stamitz, Grieg, Debussy, Britten und Rautavaara
Die Lust auf Neues, auf selten Gehörtes und auf spannende Begegnungen kennzeichnet das Metzinger Kammerorchester. So auch beim Herbstkonzert in der Stadthalle.
Susanne Eckstein
METZINGEN – Auch unter der Leitung von Oliver Bensch stellen sich die Liebhaber-Streicher neuen Herausforderungen – und das mit viel gestalterischer Hingabe.
Das muss man dem Kammerorchester lassen: Diese Hobby-Musiker scheuen nichts und niemand, mit nimmermüder Neugier und Durchhaltekraft setzen sie sich mit allen möglichen Musikrichtungen und unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden auseinander.
Auch dieses Mal präsentierten sie eine große Bandbreite an Stilen, beginnend mit Mannheimer Klassik: Carl Stamitz und dessen Orchesterquartett C-Dur. Zwar zündet dieses Werk nicht die berüchtigten Orchester-Effekte, sondern bleibt im schlichten Quartett-Rahmen; dennoch gelang es Oliver Bensch in den Ecksätzen, seinen sprühenden Bewegungs-Elan auf das Ensemble zu übertragen, das heitere Musizierfreude mit tänzerischem Schwung aus den Saiten zauberte.
Es gibt gute Musikstücke, die den Laien-Zugriff vertragen – es gibt aber auch Sätze, die ohne gezieltes Zutun des Interpreten schwer bestehen können. So ließ das Orchester die grandiose Schlichtheit des langsamen Stamitz-Satzes einfach entspannt auf der Stelle treten, ohne sie durch innere Spannung oder Vorwärts-Impulse in Bewegung zu setzen. Den harmonisch spannungsreichen Ausgleich dazu bildeten Edvard Griegs „Zwei elegische Melodien“, in denen die Celli sich in klagenden Kantilenen über „Herzwunden“ und den „letzten Frühling“ ergingen und die Musik nordische Weite andeutete. Nordische Klänge auch im ersten Solo-Konzertstück des Abends: in der Ballade für Harfe und Streicher des Finnen Einojuhani Rautavaara. Ein extrem anspruchsvolles Werk, das nur in den Händen professioneller Musiker seine volle Wirkung entfalten kann.
Die Gast-Berufsmusikerin Lucia Cericola ließ ihre prachtvoll dekorierte Harfe in wundervollen Arpeggien sprechen und klingen – die nicht immer ganz sichere Orchesterbegleitung ließ dennoch auf eine intensive Auseinandersetzung im Proberaum schließen. Für letztere hatte das Metzinger Kammerorchester den anerkennenden Applaus auf jeden Fall verdient. Als weniger heikel erwies sich Benjamin Brittens „Simple Symphony“, die so simpeln nun auch nicht zu spielen ist. Hier entwickelten die Streicher wieder zunehmend Wärme und Spielfreude; zum akustischen „Hingucker“ des Abends wurde der zweite Satz, das „Playfull Pizzicato“, lustvoll fein gezupft, und das „Prestissimo con fuoco“ auszuführende „Frolicsome Finale“, das die Zuhörer mit betont derb akzentuierten Spielmusik-Floskeln und flottem Tempo mitriss.
Ein erstaunlich feinfühliges Händchen für Impressionistisches zeigte das Kammerorchester Metzingen am Ende in Claude Debussys „Danses sacrée et profane“ für Harfe und Streicher. Im Zusammenwirken mit Lucia Cericolas brillantem Spiel gelang den Musikern unter Oliver Benschs inspirierendem Dirigat eine respektable Leistung: satter, samtiger Klang der sinnlichen Harmonien, beseelte Phrasierung, himmlisches Schweben in „heiligen“ Klängen und „profaner“ Walzerseligkeit. Das musste als Zugabe wiederholt werden.
Klassik – Herbstkonzert des Kammerorchesters Metzingen
Reutlinger Generl-Anzeiger vom 14.11.2006
Sämige Geigen
METZINGEN. Nicht nur den Ohren, sondern auch den Augen des Publikums hatte das Kammerorchester Metzingen beim Herbstkonzert in der Stadthalle etwas zu bieten. Ihr neuer, seit Februar amtierender Leiter Oliver Bensch pflegt einen expressiven Dirigierstil, der angesichts seiner langgliedrigen Gestalt zu eindrucksvollen Bewegungsfiguren führt. Ihren schier abheben wollenden Dirigenten hielten die Streicher aber mit ihrer sämigen, breiten Spielweise sicher am Boden. Verliebt in Details und den Schmelz ihrer Saiten boten die Kammerorchester-Musiker eindrucksvoll dichte Klangteppiche in den Tutti- und Fortissimo-Passagen. So gelangen ihnen die energischen Sätze etwa von Benjamin Brittens »Simple Symphony« kraftvoll und mit Schwung.
In den subtileren Werken wie den zwei »Elegischen Melodien« von Edvard Grieg oder im Andante von Karl Stamitz‘ »Orchesterquartett C-Dur« schwächelte jedoch der Spannungsbogen: Liebevoll ausgespielte Triller und fast schleifend ausgedehnte Ligaturen gingen zu Lasten von Struktur und Temperament, beeinträchtigten auch manches Mal die Tonsicherheit in den hohen Lagen.
Energievolles Harfenspiel
Dass die Kammerorchester-Musiker über diese Qualitäten durchaus verfügen, trat in den Werken für Streicher und Harfe zutage: Das energievolle und präzise Spiel der Harfensolistin Lucia Cericola riss die Streicher mit. Selbst in der recht introvertierten, wogenden »Ballade für Harfe und Streicher« von Einojuhani Rautavaara fanden die Orchestermusiker als Partner der pulsierend und ausdrucksstark spielenden Solistin zu mehr Biss und Entschiedenheit.
In dieser Kombination geriet auch Claude Debussys »Danse für Harfe und Streicher« zu einem Publikumserfolg. In dem für die Harfenistin hoch anspruchsvollen Werk begeisterte Cericola mit Technik und Hingabe, durch ihren flinken und beherrschten Wechsel zwischen präziser Rhythmik, sanghafter Melodik und Gefühlsintensität. Das Publikum dankte für das sehr unterschiedliche Klangcharaktere vorstellende Programm mit anhaltendem Applaus. (sol)