Konzert – Das Kammerorchester unter Gereon Müller
Reutlinger General-Anzeiger vom 22.11.2004
Garantie für Spannung
Von Hansdieter Werner
METZINGEN. Bitte nicht klatschen! Mit diesem freundlichen Imperativ wandte sich ein Musiker an das Publikum in der Stadthalle – und lieferte die Begründung gleich mit: Man wolle die erste Hälfte dieses 27. Herbstkonzertes als Einheit musizieren. Solches Tun ist ungewöhnlich, ging es doch um drei recht unterschiedliche Werke. Die Neugier war geweckt.
Man hörte in der Tat ein spannendes musikalisches Triptychon. Bestehend aus je einem Oboenkonzert von Bach Vater und Sohn Carl Philipp Emanuel sowie einer modernen Komposition des Polen Henryk Mikolaj Gorecki dazwischen. Das waren stilistische Wechselbäder in einem packenden Zeitraffer, die vom Orchester höchste Konzentration und Wendigkeit, enormes Können und geistige Unabhängigkeit verlangten. Die beiden Oboenkonzerte in d-Moll von Johann Sebastian und in Es-Dur von Carl Philipp Emanuel haben die Streicherinnen und Streicher unter ihrem jungen Dirigenten Gereon Müller frisch und mit feiner Impulsivität gespielt. Ein hellwacher, detailfreudiger, ebenso präziser wie klanglebendiger Orchester-Partner, der nie in einen pauschalen Trott verfallen ist, sondern mit Schwung und Köpfchen ans Werk ging.
Der Oboist Andreas Vogel hat den Werken aus der Bach-Familie die signifikante Gestalt gegeben, so dass deutlich wurde, dass Vater und Sohn verschiedene Sprachen sprechen. Beide Werke bläst er mit einem kraftvoll geschmeidigen, runden und kompakt schönen Ton, mit technischer Klasse und einer couragierten Musikalität. Aber er unterscheidet genau. Beim Vater geht er auf dessen subtile, gedankenreiche Motorik ein, beim Sohn setzt er auf Gefühl und Ausdruck. Musiziert gefällig und elegant. Mit kleinen Überraschungsmomenten. Munter und ernst und stets mit Geschmack. Die langsamen Sätze von Vater und Sohn adelt er mit erlesenem Gesang.
Sprung in die Moderne
Der Sprung in die Moderne mit Goreckis drei Stücken im alten Stil war in diesem Bach-Umfeld hart, aber gewaltfrei. Sozusagen eine Einübung in die Toleranz des Hörens. Zumal das Orchester alle Tugenden eines guten Streichorchesters entwickelt und mit großer Klangbereitschaft musiziert hat. Das gesammelte Wachsen des Klangs, seine breite Auffächerung, die vielen farbigen Grautöne und das Aushaltenkönnen einer fast magischen Stimmung gelangen suggestiv und dank Gereon Müller auch mit Inhalt. Die rhythmische Energie des mittleren Stückes vibrierte. Langer Beifall nach diesem faszinierenden ersten Teil.
Es sollte anregend, ja begeisternd weitergehen. Zunächst mit Respighis Antiche Danze ed Arie, die das Orchester kultiviert und mit einem vollen und ideenreich mobilen Streicherklang behandelt hat. Sein dichtes, dezent kantiges Spiel in der Passacaglia hatte Kraft und Charakter.
Dann fegte ein flotter Wind durch die Stadthalle. Mit Ney Rosauros Konzert für Marimba und Streicher. Diese fröhliche, rhythmisch vitale und melodisch aus dem Quell südamerikanischer Folklore schöpfende Musik wurde zum hinreißenden Muntermacher. Das Percussion-Ensemble der Musikhochschule Stuttgart mit seinen brillanten und hochvirtuosen Solisten hat hier ein tolles Feuerwerk gezündet. Farbig, rasant, zart und voll junger Lust an Klang und Rhythmus. Das Orchester steuerte große Spielfreude bei. Enthusiastischer Beifall. (GEA)