2001 Herbstkonzert

Grenzen überwinden – 24. Herbstkonzert

am 17.11.2001 in der Stadthalle Metzingen

Leos Janáček (1864 – 1928) Idyll, Suite für Streichorchester (1878)
– Andante – Allegro – Moderato – Adagio – Scherzo – Moderato –
Jean Sibelius (1865 – 1957) Impromptu für Streichorchester, op. 5, nr. 5 (1894)
– Andantino –
Lars-Erik Larsson (*1908) Konzert für Saxophon und Streichorchester (1934)
– Allegro molto moderato – Adagio – Allegro scherzando –
Solistin: Tanja Heinkel , Dettingen
Edvard Grieg (1843 – 1907) Aus Holbergs Zeit, Suite im alten Stil für Streichorchester,
op. 40 (1884)
– Präludium – Sarabande – Gavotte – Air – Rigaudon –
Jean Sibelius (1865 – 1957) Romanze für Streichorchester in C-Dur,  op. 42  (1904)
Aulis Sallinen (*1935) Einige Aspekte von Peltoniemi Hintriks Trauermarsch (1981)
(Aspekteja Peltoniemen Hintrikin Surumarssita)
 Dirigent:  Gereon Müller

Grenzen zwischen Nationen

Die Stücke des Programms wurden komponiert von

dem Tschechen Leos Janáček
den Finnen Jean Sibelius,
Aulis Sallinen
dem Schweden Lars-Erik Larsson
dem Norweger Edvard Grieg.

Grenzen zwischen musikalischen Formen

Zu Beginn beider Konzerthälften erklingt je eine Suite für Streichorchester, also der Form, die sich aus der Tanzfolge des französischen Hofes heraus entwickelt hat und bereits seit dem 17. Jahrhundert existiert.

Es folgt je eine „Klangbrücke“ in Form einer musikalischen Miniatur des Finnen Jean Sibelius – einer spezifisch romantischen Art der Momentaufnahme.

Wenn am Ende des ersten Teils ein dreisätziges Solokonzert steht, also eine im Ursprung klassische Instrumentalform,  so endet der zweite Teil des Konzertes mit einer einsätzigen Form , wie sie das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Hier findet  keine Entwicklung im klassischen Sinne statt, der Weg des Stückes  kann treffender als Metamorphose bezeichnet werden.

Grenzen zwischen Jahrhunderten

Zwei Mal überwindet dieses Konzertprogramm die Grenze zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert. Um 1880 entstanden die Suiten von Janáček und Grieg. Die Jahrhundertwende wird durch die Werke von Sibelius markiert; und die Werke von Larsson und Sallinen sind weit im 20. Jahrhundert entstanden.

Grenzen zwischen Kompositionen und Zuhörern

Die verschiedenen Stile der Werke, bedingt durch die jeweilige Entstehungszeit,  verlangen vom Zuhörer je ein besonderes Hören der Stücke.
Die vier Kompositionen des 19. Jahrhunderts entsprechen in ihrer Tonsprache  noch ganz der klassisch-romantischen Tradition und damit der Hör-Erwartung,  sodass ein rein passiv genießendes Zuhören vollauf genügen  mag.

In den beiden Stücken des 20. Jahrhunderts fordern Versuche, die  Sprache der Musik zu erweitern, eine große Offenheit des Zuhörers.
Die Tonsprache Larssons orientiert sich in der Form des Konzerts, aber auch in  ihren harmonischen und melodischen Elementen noch stark  an der Tradiotion des 19. Jahrhunderts. Doch neue Spieltechniken des Saxophons  – überblasene Töne, Flageoletts verschiedener Art, geräuschhafte  Verwendung der Klappen u.a. – und harmonisch an die Grenze der Tonalität  geführte Abschnitte mutem dem Zuhörer neue Klänge zu.
Einen großen Schritt weiter in dieser Richtung  unternimmt Sallinen in seinem „Funeral March“. Das Stück enstand aus Anlass einer Einführungsveranstaltung in die Sprache zeitgenössischer Musik, bei der Sallinen jungen Menschen das Wesen der „Neuen Musik“ erklären sollte. Sallinen unterwirft dafür einen in Finnland  allgemein bekannte einfache und volkstümliche Melodie einer kontinuierlichen Variation mit zeitgenössischen musikalischen Mitteln, vor allem durch Erweiterung der traditionellen Spieltechniken.

Die volkstümliche Melodie erklingt zunächst einstimmig in  Solovioline und Solocello. Fortan wird dieses Thema nie ganz verschwinden,  jedoch im Verlauf des Stückes in vielen Erscheinungsformen bis an die  Grenze der Unkenntlichkeit variiert werden. An manchen Stellen erscheint  es nur noch als vage Erinnerung, wie aus weiter Ferne; an anderer Stelle  wirkt es durch die hinzugefügten Orchesterklänge gänzlich  entstellt. Immer wieder – un dies erleichtert das Verfolgen des Stückes  – taucht das Thema aus dem Getöse der Welt aufum anschließend wieder von chaotischen Elementen aufgesogen zu werden.
Das Stück mündet in eine Schlussapotheose, in einen dissonanten Cluster – Klang, den der Komponist in seiner Wirkung als „irgendetwas zwischen Entsetzen und Kälteschock“ beschreibt.
Sallinen versucht, ein Stück traditioneller Volksmusik für die Ohren unserer Tage zu adaptieren. Er spricht musikalisch aus, was auch über dem Programm des heutigen Abends steht:

Neue Musik bedeutet, die Schätze vergangener Zeiten zu verstehen und zu pflegen, aber sich darüber hinaus auf di Suche nach einer eigenen Sprache zu machen, in der Kommunikation heute möglich ist.

Gereon Müller

Tanja Heinkel, Saxophon

  • geboren 1972 in Bad Urach
  • mit elf Jahren erster Saxophonunterricht im Musikverein Dettingen/Erms
  • 1993 – 1995 Besuch der Berufsfachschule für  Musik in Krumbach
  • 1995 – 1999 Saxophonstudium an der Musikhochschule  in Freiburg bei J. Demmler
  • seit 2000 künstlerische Ausbildung an der  Musikhochschule Dortmund in der Klasse von Prof. D. Gauthier
  • Meisterkurse u.a. bei Dl. Delangle (Paris), J. M. Londeix (Bordeaux), A. Bornkamp (Amsterdam), S. Rascher
  • Mitwirkung in verschiedenen Orchestern wie Junge  Süddeutsche Philharmonie, Stuttgarter Saloniker, Landesblasorchester  Baden-Württemberg
  • 1999 Einladung zum Orchester des Schleswig-Holstein  Musikfestivals
  • zahlreiche kammermusikalische Tätigkeiten  mit Klavier, Harfe, Saxophonquartett u.a.
  • diverse Ur- und Erstaufführungen zeitgenössischer  Kompositionen