Musikalische Begegnungen
23. Herbstkonzert am 18.11.2000 in der Stadthalle Metzingen
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Mit “Begegnungen” steht über dem heutigen Programm eine Überschrift, die in mehrfacher Hinsicht auf die Stückauswahl dieses Konzertes zutrifft. Zum einen begegnen sich an diesem Abend zwei Soloviolinen auf der Bühne, die miteinander konzertieren; zum anderen findet ein spannungsreiches Zusammentreffen zweiter Komponisten statt, deren Lebensdaten etwa 250 Jahre auseinander liegen.
Zum 250. Todesjahr Johann Sebastian Bachs wird das Programm mit der Orchestersuite Nr. 2 in h-moll eröffnet. Die Suite besteht aus sieben Sätzen, die vorwiegend von einer empfindsam – eleganten Melodik geprägt sind. Nach der feierlichen und dynamischen Ouvertüre folgen Sätze verschiedenen Charakters, die allesamt höfische Tänze zum Vorbild haben. Führendes Instrument ist die Flöte, die mit den ersten Violinen in Erscheinung tritt, häufig jedoch auch solistisch.
Das 1978 entstandene Stück “summa” des in Estland geborenen Komponisten Arvo Pärt bildet die erste kontrastreiche Begegnung. Der abwechslungsreichen und schwungvoll fließenden Melodik Bachs wird hier eine sanft wiegende, sich im Kreis bewegende Melodie gegenüber gestellt, die scheinbar immer gleich bleibend nur durch leichte rhythmische Veränderungen und dem Wechsel der Instrumentengruppen – für den Hörer kaum wahrnehmbar – variiert wird.
In dem Konzert für 2 Violinen von Johann Sebastian Bach begegnen sich diese in echt barocker, von Vivaldi und Corelli geprägter Manier. Der lebhafte erste Satz beginnt mit einer breit angelegten Fugenexposition. Die barocke Form der Fuge bestimmt auch den langsamen Satz dieses Konzertes, der ganz den beiden Solostimmen und ihrer unaufhörlich fließenden Melodie gehört. Der Wechsel von Solo und Tutti findet sich im letzten Satz wieder. Auch hier sind es die beiden Soloviolinen, denen die Melodie anvertraut ist.
Höhepunkt und Abschluss des Herbstkonzertes bildet das 1977 entstandene Werk “tabula rasa” für 2 Soloviolinen, präpariertes Klavier und Streichorchester von Arvo Pärt. Das “Konzertieren” der Soloinstrumente erhält hier eine völlig neue Bedeutung. Während im ersten Satz, der “mit Bewegung” überschrieben ist, die Violinen noch Anklänge an das barocke Konzertieren erkennen lassen, verschwindet dies im zweiten Satz mit der Tempobezeichnung “ohne Bewegung” fast völlig. Aus dem “Wetteifern” ist ein “Zusammenklingen” geworden. In diesem fast statisch wahrzunehmenden Schlusssatz kommt eine völlig neue Klangfarbe zur Geltung, die entfernt an Glocken erinnert und von dem präparierten Klavier unterstützt wird. Bei diesem von John Cage (1912 – 1992) erstmals angewandten Umbau des Klaviers mittels Schrauben und anderer Gegenstände verändert sich die gewohnte Tonqualität ebenso wie die Stimmung des Instrumentes und führt zu einem neuen und gänzlich ungewohnten Klangerlebnis.
Die meditative und archaische Klangsprache Pärts, die ganz bewusst versucht Ruhepole in eine rasante Lebenswelt zu setzen, findet hier einen beispielhaften Ausdruck. Ein wichtiges Element Arvo Pärts ist neben seiner langsam anwachsenden Melodienbildung das Einbeziehen der Stille in seine Musik.
Dieses Element, das in Form von Pausen mit in das Stück hineinkomponiert ist, prägt bereits den Beginn des ersten Satzes: Nach den Anfangstönen der Soloviolinen dient eine lange Generalpause als Ausgangspunkt des ganzen Stückes – eine Geste, die dem Titel “tabula rasa” entsprechend “reinen Tisch” machen soll. Wie wichtig Arvo Pärt dieses Element der Ruhe ist, kann aus dem abschließenden Zitat des Komponisten erkannt werden:
“ Meine Musik entstand immer, nachdem ich lange geschwiegen hatte, und zwar im buchstäblichen Sinn dieses Wortes. Wenn ich vom Schweigen spreche, dann meine ich jenes Nichts, aus dem Gott die Welt erschuf.”