1997 Herbstkonzert Kritiken

Der Gartenschlauch als Stimmungsmacher

Metzinger-Uracher Volksblatt vom 24.11.1997

Zum 25jährigen von Hannes Schmeisser:  Ein Ständchen aus 25 Musikstücken – Delikate Tongespinste

Zur musikalischen Belustigung auf Musikerfeten kommt er immer mal  zum Einsatz: der Gartenschlauch. Beim Herbstkonzert des Kammerorchesters  Metzingen jedoch kam er zu unverhofften Adel.

CONSTANZE HOLZE

METZINGEN: Erst im vergangenen Jahr konnte das Kammerorchester feiern, heuer gab es schon wieder einen Anlaß. Seit einem Vierteljahrhundert führt Hannes Schmeisser hier den Dirigentenstab. Willkommene Gelegenheit für ein Programm, das nicht auf große Sinfonie und wuchtiges Konzert zielte. Obwohl es an spielerischer Brillanz nicht fehlte.

Schwungvoll

Matthias Beck zeigte sich einmal mehr als zuverlässiger Garant für den virtuosen Auftritt mit großer Geste. Mit Antonio Vivaldis Konzert für Trompete und Orchester in B-Dur sorgte er einen schwungvollen und strahlenden Einstand. Doch sein meistenteils weicher Ansatz, sein kerniger Ton und seine flinke Geläufigkeit kamen noch einem weiteren Werk zugute – Johann Matthias Spergers Konzert für Horn und Orchester in D-Dur.

Kein Extremsport

Ein Hornkonzert von einem Trompeter geblasen? Garnicht so ungewöhnlich. Spätestens seit Ludwig Güttlers Experimenten kennen viele Musikfreunde jenes Corno da caccia genannte Instrument, mit dem das extrem diffizile barocke und frühklassische Repertoire für Horn auch für den „Normalbläser“ nicht mehr zum Extremsport wird.
Beck bewegt sich mit seinem Piccolo-Horn auf  gleichem Pfad. Das ein wenig fremdartig aussehende Klein-Horn hat Ventile wie ein voll entwickeltes Instrument. Der souveräne Trompeter Beck bestach mit dem Horn durch akkurate Spitzen und metallischen Glanz. Zugleich bekommen Kantilenen einen zarten Schleier, nimmt die angenehm dunklere Tönung den virtuosen Passagen jeden aggressiven Zug.

Aus Holbergs Zeit

Barock, Klassik – und mit Edvard Griegs Suite im alten Stil „Aus Holbergs Zeit“ op. 40 mitten hinein in die Romantik. Hannes Schmeisser verzichtete auf jegliche Aufstockung durch „fremde“ Bläser. Wodurch er die Qualitäten seines Ensembles besonders herausstellte. Denn was die Musiker des Kammerorchesters auch spielten: sie machten es gut. Zwar kann von technischer Perfektion nicht die Rede sein. Aber jeder musikalische Gedanke hatte ein Ziel und der unumgängliche Tribut an Intonation und Präzision blieb klein.

Emotionale Intensität

Unter der stets anregenden Leitung Scbmeissers zeigten sie das Beste. Aufmerksamkeit und Beweglichkeit bei den partnerschaftlich gestalteten Begleitungsaufgaben. Emotionale Intensität im Air der Grieg-Suite, delikate Tongespinste in Sarabande und Rigaudon, energischen, doch nie groben Zugriff im Präludium. Gedämpfte Melancholie verbreitete sich mit Sergej Rachmaninows Romanze und Scherzo für Streichorchester.
Liebevoll spürten die Streicher der Seelenlandschaft der expressiven Romanze nach, ohne Prätention und Übertreibung. Wohl deshalb klappte der Anschluß des mehr tänzerischen als stürmischen Scherzo so nahtlos. Wie schon vordem sicher ein Verdienst der aufmerksamen Stimmführer, ob an Konzertmeisterpult, Mittelstimmen oder Violoncello.

Unverwechselbarer Charme

Der unverwechselbare Charme dieses Orchesters kam zur vollen Entfaltung im kontrastierend angelegten zweiten Teil. Hier nahm sich auch Klaus Pietsch, besser als umtriebiger Hornist und Pädagoge bekannt,des Gartenschlauches an: Für das Konzert G-Dur von Leopold Mozart war das dringend benötigte Alphorn nicht pünktlich eingetroffen.  Auf dergleichen Scherz mußte vorbereitet sein, wer sich die plötzlich  bunt bestrumpften und geschmückten Musiker nur gründlich angesehen  hatte.

Stimmungsmacher

Schmeisser selbst zeigte pfeifend Humor, forderte seinen Leuten aber musikalische Orchesterdisziplin ab. Gut so, denn dies erst unterstrich die Komik von Pietschens Darbietung. Mundstück, Haushaltstrichter und Schere erwiesen sich als rechte „Stimmungsmacher“ und Pietsch als vielseitiger Bläser von Format. Ob er eine zweite Karriere als Schlauchvirtuose anstrebt, ist derzeit noch nicht bekannt.
Vergnüglich auch das Finale mit Wolfgang Schröders Version von Mozarts „Kleiner Nachtmusik“. In einem Aufwasch wurden da die gro6en Toten abgehandelt. Beethoven, Liszt, Schubert und Johannes Strauß wurden zitiert, verfremdet und ins Streckbett dieser „Lachmusik“ gedrückt, Rossini und Smetana nicht verschont.

Pizzicato-Polka

Und noch viel mehr. Für 25 Jahre Ära Schmeisser bei den Metzingern gab es 25 verschiedene Musik- stücke in einem. Kein Wunder, daß die Publikumsbegeisterung keine Grenzen kannte und sich mit der Zugaben-Pizzicato-Polka nicht zufrieden geben wollte. Bei aller Unterhaltsamkeit wurde es deshalb sehr persönlich, als das muntere Ensemble dem gestrengen Meister ein Chorständchen brachte. Was hoffen lä6t auf weitere produktive Jahre und einen erfrischend unkonventionellen Spielplan.

Kontrastprogramm

Reutlinger General-Anzeiger vom 24.11.1997

Herbstkonzert des Metzinger Kammerorchesters  in der Stadthalle

Barock, Klassik und Romantik und ein humorvoller zweiter Konzertteil schienen das Können des Metzinger Kammerorchesters so richtig herauszufordern. Mit Akkuratesse, mit klanglicher Wendigkeit, mit Differenzierungsfähigkeit beim Mischen der Register und später mit leichter Hand brachten die rund 30 Streicher ein Programm der Kontraste zum Klingen. Hannes Schmeisser war dabei in der einigermaßen gut gefüllten Metzinger Stadthalle anspornender Orchesterpädagoge, präziser Gestalter und entspannter Spielleiter in einem.
Matthias Beck als Solist des Abend glänzte zunächst mit einem Trompetenkonzert von Antonio Vivaldi, das er makellos im Ansatz, rund und dicht im Ton und in hochdifferenzierter Linienführung blies. Nicht Kraft, sondern kantable Eleganz und ein großer Reichtum an Akzenten bestimmten hier das musikalische Bild. Das Kammerorchester begleitete flächig und selbstbewußt und im langsamen Satz den Trompeter wie auch das klangvolle Cellosolo behutsam tragend.
Auf einem selbst entworfenen und gebauten Diskanthorn spielte Matthias  Beck das Konzert für Horn und Orchester in D-Dur von Johann Matthias  Sperger. Geschrieben wurde dieses hochvirtuose Werk für ein Naturhorn  ohne Ventile und. mit dem charakteristisch dunklen Klang, dem heute im  Rahmen der historischen Aufführungspraxis wieder zu seinem Recht verholfen  wird. Auf modernen Hörnern ist das Konzert nur bedingt zu realisieren,  und auch auf Matthias Becks Instrument mit einem Trompetenmundstück  gehen vor allem die Konturen der mit Hilfe der sogenannten Stopftechnik  zu bewältigenden Passagen und viel Substanz in der Tiefe verloren.  Gleichwohl besaß die Wiedergabe feine instrumentale Nuancen. Und selbstverständlich  wurden die virtuosen Abschnitte dieses Konzerts von Matthias Beck brillant  bewältigt. Mehr als einmal durfte man im Verlauf der drei Sätze  die überzeugende Integration des gesanglichen Moments in die Beweglichkeit  der kontrastbetont ausgespielten Solostimme bewundern.
Das Kammerorchester trat in Edvard Griegs »Holberg-Suite« anschließend musikalisch in die erste Reihe. Mit einem warm timbrierten, sehr ausgeglichen Tutti und vielen fein profilierten solistischen Passagen entwarfen die Streicher unter dem engagiert formenden Hannes Schmeisser fünf im instrumentalen Charakter gut voneinander abgesetzte Sätze. Ein federndes Präludium und ein reaktionsschnell die Ausdrucksebenen wechselndes Finale gehörten ebenso dazu wie zwei langsame Abschnitte, deren weite kantable Bögen mit großem Atem wiedergegeben wurden. Ein Früh- werk von Sergej Rachmaninow – Romanze und Scherzo für Streichorchester – beendete den ersten Teil. Auch hier spielte das Orchester mit viel Detailtreue.
Nach der Pause kam der Humor in der Musik zu seinem Recht. Klaus Pietsch, Solohornist der Württembergischen Philharmonie Reutlingen, spielte auf Mundstück, Gartenschlauch und Plastiktrichter Leopold Mozarts Alphorn-Konzert. Bei der wendigen und im Klang gar nicht einmal so starren Ausführung durch Klaus Pietsch darf nicht vergessen werden, daß die Hornisten mit ihren gerade vier Ventilen täglich solcherart »Lippenkunststücke« vollbringen.
Wolfgang Schröders gekonnt montierte’ klassische Zitatensammlung »Eine kleine Lachmusik« machte dem Kammerorchester Metzingen und seinem Publikum gleichermaßen Spaß. Hannes Schmeisser führte mit leichter und doch präziser Hand durch dieses Tschaikowski, Hofbräuhaus und Rigoletto unter einen Tiroler-Hut bringende musikalische Kabinettstückchen. Nach einer Pizzikato-Polka als Zugabe brachte das Kammerorchester Metzingen Hannes Schmeisser ein selbstverfaßtes Ständchen zum 25jährigen Dirigentenjubiläum und bewies damit auch seine Qualitäten als gemischter Chor. Daniel Knödler