1990 Herbstkonzert

13. Herbstkonzert

am 17.11.1990 in der Stadthalle Metzingen

Gioacchino Rossini (1792 – 1868) Ouvertüre aus der Oper “Die seidene Leiter”
Jean Sibelius (1865 – 1957) “Pelleas et Melisande”
– Am Schlosstor – Melisande – Am Meer – Am Wunderborn im Park
– Die drei blinden Schwestern – Pastorale – Melisande am Rocken –
Zwischenaktmusik – Melisandes Tod –
Christoph Wagenseil (1715 – 1777) Konzert für Posaune und Orchester
– Adagio – Allegro assai –
Alexandre Guilmant (1837 – 1911) Morceau Symphonique für Posaune und Orchester
– Andante sostenuto – Allegro – Andante sostenuto – Allegro –
Solist: Jochen Schüle
Gioacchino Rossini (1792 – 1868) Ballettmusik aus der Oper “Wilhelm Tell”
Johann Strauss, (Sohn, 1825 – 1899) “G’schichten aus dem Wienerwald”
Dirigent: Hannes Schmeisser

Gioacchino Rossini

Gioacchino Rossini (1792-1868) gilt allgemein als ein eher oberflächlicher Lebemann, der den Genüssen des Diesseits, vor allem denen der guten Küche mehr zugetan war als einem geregelten und fleißigen Leben als ernsthafter Komponist. Auch »rühmt« man hierbei gerne seine Faulheit, weil er angeblich nur komponierte, wann er Lust dazu hatte. Hierzu passt scheinbar auch glänzend seine spritzige und glitzernde Musik, die wie mit leichter Hand über alle Schwierigkeiten hinwegzugleiten scheint. Vor allem uns Deutschen, die wir eher die »Schwerstarbeit« eines Beethoven gewohnt sind, glauben gerne an dieses Klischee über einen Komponisten, der in Wirklichkeit ganz anders war. Es ist zwar richtig, dass Rossini mit Esprit und Ironie ein glänzender und beliebter Gesellschafter berühmter Geister aus aller Welt war; es ist zwar richtig, dass Rossini bei solchen Gelegenheiten eine exquisite Tafel nicht verachtete; es ist auch richtig, dass Rossini der unbestrittene Meister der opera buffa (lustige Oper) war: Aber all dies ist nur eine Fassade, hinter der sich ein sehr sensibler Mensch verbarg, der sich jahre-lang bis zur Erschöpfung abarbeitete, der sich sehr viele ernsthafte Gedanken um die Entwicklung der Musik machte und der sich nicht zuletzt um die politische und technische Entwicklung im 19. Jahrhundert sorgte. Dass Rossini längere Zeit so gut wie nichts mehr komponierte, bevor er wieder einen zweiten Anlauf nehmen konnte, das lag nicht an seiner »Faulheit«, sondern viel mehr daran, dass er sich völlig überarbeitet hatte. Es grenzt viel eher ans Wunderbare, dass sich dieser Meister wieder aufraffen konnte und jetzt Werke schuf, die ganz in der Sphäre der ernsthaften Musik verankert sind, vor allem in der Kirchenmusik. Rossini fing seine Laufbahn 1790 als Stadttrompeter in Pesaro an und ist dann 1978 als Triangelspieler (!) in einer von seinem Vater geleiteten Militärkapelle zu finden. Als er dann Kompositionen von Haydn und Mozart kennenlernte, war sein weiterer Weg vorgezeichnet. Er komponierte seine ersten Opern in kürzester Zeit, indem er von Bühne zu Bühne zog, die dortigen Sänger studierte und seine Partien ihnen »auf den Leib« komponierte. Dieses aufreibende Leben war auch von Misserfolgen begleitet: Der »Barbier von Sevilla« verursachte bei seiner Uraufführung einen Skandal und fiel mit Pauken und Trompeten durch. Inzwischen war Rossini so bekannt, dass er nicht mehr für die kleineren Bühnen »tingeln« musste, sondern für Wien, London und Paris schrieb. Er besuchte Beethoven und Wagner, sammelte mit finanziellem Geschick ein großes Vermögen und war nun künstlerisch völlig unabhängig. In seinem Landhaus in Passy empfing er die Größen dieser Welt. Zu seiner Musik ist nicht viel zu sagen: Sie wirkt mit jedem Ton direkt auf Herz und Verstand des Hörers, ist ohne Makel und immer geistreich, jedoch niemals oberflächlich oder seicht. Bei Rossini finden wir immer echte Kunst!

Jean Sibelius

Jean Sibelius (1865-1957) sollte ursprünglich Jurist werden, sattelte aber bald zur Musik um. Nach seinem Studium in Helsinki, Berlin und Wien wurde er mit 28 Jahren Musiklehrer an der Universität Helsinki. Mit 32 Jahren bekam er vom finnischen Staat eine Lebensrente, die es ihm ermöglichte, frei zu schaffen. Seine Werke bevorzugen Stoffe der nordischen Mythologie und sind auch dann sehr stark seinem Heimatland verbunden, wenn es sich nicht direkt um Programm-Musik handelt. Der Klang dieser Musik ist in der Regel düster und bevorzugt die dunklen Register, ihr Nährboden ist die finnische Volksmusik, die mit der mittel-europäischen Folklore nichts gemeinsam hat. Die Harmonik vermeidet einfache und klare Wendungen, die Rhythmen sind sehr eigenwillig und passen nicht recht in das unseren Ohren gewohnte einfache Taktschema. Die Melodik wirkt bisweilen etwas monoton, aber gerade deshalb sehr eindrücklich. Dazu kommen jähe und schroffe Umschwünge der Stimmungen, wie sie in der östlichen Musik üblich sind. Sibelius’ Kompositionsweise vermeidet den deutlich nachvollziehbaren Aufbau und wirkt deshalb eher wie improvisiert. Man nennt Sibelius auch den Rhapsoden unter den Symphonikern. Mit dem Begriff Phantasie lassen sich seine Kompositionen am ehesten umschreiben. Und immer steht die finnische Landschaft mit ihrer Weiträumigkeit, Zerklüftung, ihrer grellen Helligkeit und ihrer unwirklichen Zartheit Pate. Sibelius ist der Begründer der nationalen finnischen Kunstmusik und der einzige finnische Komponist, dessen Werke in der ganzen Welt aufgeführt werden. – Für das Schauspiel »Pelleas et Melisande« von Maeterlinck hat Sibelius im Jahre 1905 eine Schauspielmusik und hieraus eine Suite für Orchester komponiert.

Georg Christoph Wagenseil

Klavierlehrer der Kaiserin Maria Theresia, weist sich mit seinen Lebensdaten als Zeitgenosse von Joseph Haydn, Christoph Willibald Gluck und Wolfgang Amadeus Mozart aus.
Trotzdem ist uns seine Musik weitgehend unbekannt. Wagenseil soll die Musik seiner Zeit aus den »barocken Formen« gelöst haben. Er machte einen neuen Ton salonfähig, den wir heute stilistisch als »galant« bezeichnen. Wagenseil weist sich mit seinen Kompositionen, die hauptsächlich handschriftlich überliefert sind, als einer der bedeutendsten Vertreter der 1. Wiener Schule aus. Glucks Opernreform hat er wesentlich mit vorbereitet.

Alexandre Guilmant

machte sich vor allem als Herausgeber älterer französischer Orgelmusik einen Namen. 1894 gründete er die Schola Cantorum in Paris, ab 1896 war er Orgellehrer am Conservatoire.
In der Komposition für Posaune und Orgel (Morceau symphonique) repräsentiert Guilmant einen Kompositionsstil, bei dem spätbarocke, klassische und spät-romantische Stilelemente eine interessante Klangmischung bilden. Das Stück zeichnet sich vor allem durch farbige Harmonik (Rückungen, Alterationen) und kontrastreiche Dynamik aus. Chromatische Durchgänge und Vorhalte verleihen ihm eine expressive und eingängige Melodik.

Johann Strauss (d. J.)

Johann Strauss (1825-1899) sollte nach dem Willen seines gestrengen Herrn Vaters das Bankwesen erlernen, auf keinen Fall jedoch den Beruf eines Musikers ergreifen. Doch als der Sohn mit 16 Jahren von der Schule verwiesen wurde, hatte dieser inzwischen heimlich das Klavier- und Violinspiel erlernt. Beim Einstudieren geeigneter Posen mit der Violine in der Hand vor dem Spiegel wurde er von seinem Vater erwischt, und prompt nahm ihm dieser das Instrument weg. Doch als Vater Strauss die Familie verließ, konnte der Sohn – unterstützt durch die Mutter und finanziell durch Stundengeben unabhängig – das Studium der Musik aufnehmen. Bald hatte er eine eigene Kapelle, die er als Stehgeiger (damals war dieses Wort noch nichts Despektierliches) leitete. Er führte Kompositionen seines Vaters, aber auch schon eigene kleinere Werke auf. Schon damals begann sein umfangreiches und fleißiges Schaffen auf dem Gebiet der Komposition, vor allem des Wiener Walzers, dem er im Laufe seines erfolgreichen Lebens zu Weltruhm verhalf. Hierbei waren die vielen Engagements und Reisen in alle europäischen, später auch überseeischen Länder sehr hilfreich. Es gab Zeiten, in denen Johann Strauss Abend für Abend an drei bis vier verschiedenen Orten als Dirigent seiner in mehrere Ensembles aufgeteilten Kapelle auftrat, wobei er auf den Fahrten zu den einzelnen Stellen im Fiaker ständig wieder neue Kompositionen entwarf und sich keine Minute Zeit zur Erholung gönnte. Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen: Johann Strauss brach körperlich völlig zusammen und musste sich in eine Kur begeben. Es folgten 16 ruhigere Jahre, in denen er jeden Sommer in Russland in der Nähe von St. Petersburg während der musikalischen Saison auftrat und jetzt genügend Zeit und Muße fand, seine russischen Eindrücke in einzelnen Kompositionen festzuhalten. Seit dieser Zeit genoss Johann Strauss Weltruhm in der musikalischen Welt; denn seine Walzer hatten längst ihren Ursprung als Tanzmusik hinter sich gelassen und traten in enge Nähe zur symphonischen Musik. So war es nur logisch, dass etwa seit 1870 Johann Strauss sich nach einem neuen Gebiet umsah, nämlich nach der Bühnenmusik. Es entstanden seine berühmten Operetten, die noch heute in aller Welt aufgeführt werden. Zur 100-Jahrfeier der USA wurde unser Komponist eingeladen, wo er mit einer großen Zahl von Unterdirigenten eigene Werke mit tausenden von Musikern aufführte. Musik von Johann Strauss erkennt man sofort an ihrer ganz persönlichen Sprache und an ihrem musikalischen Einfallsreichtum. Seine Tänze sind von blitzender Laune, von hinreißendem Temperament und von liebens-würzigem Charme erfüllt. Einer der beliebtesten Walzer, die »G’schichten aus dem Wienerwald«, wurde im Jahre 1867 komponiert und schon damals gleich mit großem Erfolg aufgeführt.

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Jochen Schüle

Jochen Schüle wurde in Metzingen geboren. Mit elf Jahren begann er Posaune zu spielen und seinen Vater in die Stadtkapelle zu begleiten. Musik ganz anderer Art lernte er kennen, als er sich entschloss, Mitglied zu werden im Landesjugendorchester Baden-Württemberg. Und noch einmal umlernen musste er im Heeresmusikkorps 9 in Stuttgart, wo er 1982 – 1984 seinen Wehrdienst ableistete.
Dann begann das Studium bei Prof. Armin Rosin an der Staatlichen Hochschule für Musik in Stuttgart. Mit glänzenden Zeugnissen und der Diplomprüfung für Orchestermusiker in der Tasche beendete er im Sommer 1989 sein Studium in Stuttgart.
Seit 1989 unterrichtet er an der Musikschule in Metzingen im Fach Posaune. Gleichzeitig lernt er selbst weiter in der Fortbildungsklasse für Posaune an der Staatlichen Hochschule Würzburg. Seit 1985 spielt Jochen Schüle überdies im Europäischen Jugendorchester in Beziers (Südfrankreich) als 1. Posaunist.