Konzert – Kammerorchester Metzingen musizierte in der Martinskirche unter Oliver Bensch mit drei Solisten
Aus dem Reutlinger Genaral-Anzeiger vom 14.05.2012
Stabiler Klangkörper
VON DAGMAR VARADY
METZINGEN. Versunken sitzt er noch vor Konzertbeginn da und dirigiert bereits dezent vor sich hin: Oliver Bensch, der Leiter des Kammerorchesters Metzingen, der am Freitagabend das Solistenkonzert in der Metzinger Martinskirche mit seinem dynamischen Dirigat und seiner ulkigen Art bereicherte.
Gleich drei Solisten durften ihr Können unter Beweis stellen. Drei verschiedene Stile, Epochen und eben auch drei unterschiedliche Solisten. Begonnen wurde mit dem Hofkomponisten des Sonnenkönigs, Francois Couperin. In den »Pieces en concert« für Violoncello und Streicher, eine Zusammenstellung Paul Bazelaires aus verschiedenen Hofmusiksuiten Couperins, offenbarte das Orchester sich als stabiler und recht ausgewogener Klangkörper.
Thomas Brocke, der den Solistenpart bestritt, zeigte sich nicht als dominanter Solist, sondern bettete sich vielmehr in den Orchesterklang ein. Und so entpuppten sich die fünf Sätze als vielfältige barocke Häppchen in einer höflich-galanten Interpretation.
Nach chinesischem Prinzip
Für die Uraufführung seiner Stücke »Yin« und »Yang« erklärte der Komponist Ekkehard Schobert sich für erwartungsvoll-aufgeregt und seine Stücke als Gegensätze mit wechselseitiger Bezogenheit, getreu nach dem chinesischen Prinzip. Vielfältig und durchaus spannungsreich war das Ganze. Zunächst eine sehr rhythmische Angelegenheit, synkopisch, leicht jazzig. Julian Trieb blies als zweiter Solist seine Klarinette mit viel Esprit und Schwung. Über zupfenden Streichern stoßende Klarinettentöne, spitze Rufe, bekräftigt durch einen stampfenden Fuß. Aber ebenso das Konträre: anschmiegsam, weich und behutsam.
Trieb ist ein charismatischer Musiker, bei dem seine pantomimische Ausbildung in der Musik einen geeigneten Partner findet. Eine derartige Spielweise steckt natürlich an. Das Orchester spielte folglich auch mit viel Einsatz und Eifer. Neben den flotten Partien sind auch fließende Klangströme und ruhige Linienführungen eingeplant und so ergibt sich ein dynamisches Gegeneinander von Aktivität und Ruhe, von Dynamik und Statik, von Zeit und Raum.
Klavierkonzert von Haydn
Wohlige und lichtdurchflutete Momente bot sodann das Klavierkonzert in D-Dur von Joseph Haydn. Die Umstellung von Schobert zu Haydn gelang tadellos. Mit Schwung und Witz kamen die schnellen Ecksätze daher. Mit eindringlicher Gelassenheit der langsame Satz. Stephen Blaich webte als dritter Solist des Abends mit lockerem und transparentem Anschlag glasklare Melodien am Klavier und blätterte sich dabei auch noch an schwierigsten Stellen selbst die Noten um. Schwerelos und glücklicherweise nicht pomphaft aufgeblasen interpretierten die Musiker unter Oliver Bensch dieses schöne Klavierkonzert, dessen letzter Satz »Rondo all’Ungarese« einen prägnant-temperamentvollen Schlusspunkt setzte.
Und so war es nicht verwunderlich, dass das Publikum durch langes und sogar wiederholtes Klatschen gerne noch einer Zugabe gelauscht hätte. (vara)
Yin Yang im lebendigem Fluss
Aus dem Metzinger Volksblatt vom 14.05.2012
von Susanne Eckstein
Metzingen. Ein besonderes Konzert mit einer Uraufführung und eigenen Solisten bot das Kammerorchester Metzingen am Freitag, diesmal in Streicherbesetzung.
Für Solokonzerte werden gern illustre Gaststars eingeladen, die dann oft losgelöst vom Ensemble die Gastgeber musikalisch abhängen. Das war dieses Mal anders. Zum einen stammten die Solisten aus dem Metzinger Umfeld: Thomas Brocke fungiert als Cello-Stimmführer im Kammerorchester, der Klarinettist Julian Trieb unterrichtet an der Musikschule, und Stephen Blaich amtiert als Martinskirchen- und Bezirkskantor. Des weiteren haben alle Beteiligten die Stücke offenbar intensiv gemeinsam erarbeitet und gelangten so unter Leitung von Oliver Bensch zu einer ansprechenden, schlüssigen Darbietung, stimmungsvoll umrahmt von Kerzenlicht und frischem Grün.
Die „Pièces en concert“ aus François Couperins Sammlung „Les Goûts réunis“ (Die vereinten Geschmäcker) werden meist in der auszugsweisen Bearbeitung für Cello und Streicher von Paul Bazelaire aufgeführt, die in der spätromantischen Tradition steht; so auch hier. Die farbige Harmonik wurde transparent ausgeleuchtet, die hallige Raumakustik stützte die weich fließenden Streicherstimmen und die ruhig ausschwingende Bewegung. In enger Verbindung mit dem Ensemble musizierte Thomas Brocke seinen Solopart souverän und klangschön, in der „Plainte“ (Klage) aber teils so verhalten, dass man ihm mehr Solisten-Habitus wünschte. Der kam im abschließenden flotten „Air de Diable“ wieder zum Tragen, wo Brocke klare Akzente setzte.
Hin und wieder sind beim Kammerorchester Komponisten zu Gast, wie jetzt am Freitag der Stuttgarter Flötist Ekkehard Schobert, der selbst zum Mikro griff und sein zweisätziges Werk „Yin & Yang“ für Klarinette und Streicher vorstellte. Dieses verkörpert die in der chinesischen Philosophie thematisierte Polarität der Gegensätze in der Einheit – eine Erscheinung, die auch die abendländische Kunstmusik in vielfältiger Weise prägt, ohne dass man sie so benannt hätte.
Schoberts Musik geht aus von klaren, sprechenden Motiven und synkopierten Rhythmen, die vielfältig variiert und in Groß- und Detail-Strukturen verflochten und gegeneinander gestellt werden, wobei Solo-Klarinette und Ensemble eng verknüpft sind. Julian Trieb und den Streichern gelang eine ausdrucksstarke und spannungsreiche Interpretation, die sich durch eine natürlich fließende Bewegung auszeichnete: bewegungsfreudige Musizierlust – und das an einem nie zuvor aufgeführten Stück! Hatte die Yin-Yang-Thematik das Bewusstsein fürs Musizieren geschärft?
Genauso lebendig bewegt folgte Joseph Haydns Klavierkonzert D-Dur, von Stephen Blaich am Flügel souverän und kraftvoll strukturiert. Auch hier war der Solist eingebunden ins Musik-Geschehen: Der kircheneigene Schiedmayer-Flügel stand (anders als üblich) mitten im Orchester, und das wache, eng verflochtene Spiel von Solo und Ensemble sowie der helle, klar konturierte Klang ließen an historisch informierte Aufführungen mit Hammerflügel denken. Hie und da ließ die Präzision wie bei allen Laienaufführungen zu wünschen übrig. Doch mindestens genauso wichtig ist der lebendige Fluss der Musik, er erfüllt und beglückt – und inspirierte am Ende zu begeistertem Applaus.