17. Herbstkonzert
am 19.11.1994 in der Stadthalle Metzingen
|
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 19, F-Dur KV 459
Im Jahre 1784 hat Mozart nicht weniger als 6 Klavierkonzerte geschrieben, die meisten davon für die von ihm in Wien veranstalteten Akademien, in denen er die Konzerte als Solist vortrug. Das Konzert in F-Dur ist das letzte dieses Jahres. Höchstwahrscheinlich hat Mozart am 15. Oktober 1790 in Frankfurt zur Krönung Kaisers Leopold II. neben dem zu diesem Anlass geschriebenen Klavierkonzert in D-Dur KV 537 auch das F-Dur-Konzert gespielt, weshalb es bisweilen als “2. Krönungskonzert” bezeichnet wird.
Die Orchestereinleitung des 1. Satzes beginnt mit einem zupackenden marschartigen Thema, das sich nicht nur für die Orchesterexposition, sondern für den ganzen Satz als beherrschend erweist. Seitenthemen und Zwischenpartien, so schön sie sich im Augenblick entfalten, sie münden doch bald wieder in die “freudige Bestimmtheit” (A. Einstein) des Hauptthemas ein. So greift auch das Soloinstrument das Marschthema auf, verarbeitet es in seiner Weise besonders eindrucksvoll, wenn es das dem Orchester zugewiesene Thema mit Akkorden umspielt und es dabei in neuen überraschenden harmonischen Zusammenhängen wie in einem neuen Kleid erscheinen lässt.
Der Mittelsatz, ein Allegretto, steht mit seiner spielerischen Anmut ganz im Gegensatz zum ersten Satz. Das Orchester beginnt mit einem schlicht erscheinenden Thema im 6/8-Takt, dem durch die Chromatik in den auf- und absteigenden Linien eine leichte Melancholie beigemischt ist. Das Klavier nimmt das Anfangsthema auf, nun mit leichten Verzierungen geschmückt, fährt dann sehr frei fort, so dass man fast meint, es wolle einen Ländler beginnen. Flöte und Fagott hängen dem Themenkopf in Achteln aufsteigende Skalen an, die dann auch im Klavier erscheinen. So werden immer wieder Überraschungen geboten, und doch wirkt alles wie selbstverständlich und ohne jeden Zwang aneinandergefügt. Schließlich lassen die auf verschiedene Instrumente verteilten aufsteigenden Achtelskalen den Satz unnachahmbar schön erklingen.
Kann es nach so viel Schönheit noch eine Steigerung geben? Zunächst reißt der Beginn des 3. Satzes aus jeglichem Nachklang verinnerlichter Beschaulichkeit. Das Klavier allein eröffnet das Allegro assai mit einem quicklebendigen Thema, das aus kurzen Einheiten wie eine Perlenkette zusammengereiht ist. Je eine Hälfte des Themas wird refrainartig von den Bläsern nachgespielt. Man erwartet einen spielerisch lockeren Rondosatz. Da überraschen die tiefen Streicher und das Fagott mit einem Thema, das sich deutlich als Fugenthema zu erkennen gibt und mit dem Einsetzen der weiteren Instrumente entwickelt das Orchester ein 4-stimmiges Fugato. So stehen zunächst zwei verschiedene Stilarten und Kompositionsprinzipien nebeneinander und Soloinstrument und Orchester verarbeiten beide Elemente unter Einfügung einiger Zwischenphasen jedes für sich.
Wenn dann nach einer kurzen Kadenz der Satzanfang wieder aufgenommen wird und man glauben muss, dem Satzende zugeführt zu werden, da ereignet sich das Wujnder der unerwarteten Zusammenfügung der Gegensätze: die Verschmelzung von Homophonie und Polyphonie. Das rondoartige Eingangsthema und das Fugenthema werden in einer großartig angelegten Doppelfuge zusammengebracht.
Nach solchen satztechnischem Höhepunkt eilt das Konzert mit einer weiteren Kadenz seinem Ende entgegen.
Joseph Haydn
Symphonie Nr. 89, F-Dur
Haydns symphonisches Schaffen gliedert sich deutlich in drei Perioden: die erste ist die Zeit der frühen Symphonien (etwa bis 1773), in der der Komponist die für die Klassik typische Symphonieform aus der Überlieferung heraus entwickelt. In einer mittleren Periode (etwa bis 1790), in der Haydn nun auch aus dem beschränkten Wirkungskreis von Schloß Esterházy heraus zu treten beginnt, versteht er es, die von ihm entwickelte Form immer geistvoller und großzügiger zu meistern. In den 12 Londoner Symphonien (ab 1790) erfährt Haydns symphonisches Schaffen eine letzte Steigerung.
Die Symphonie nr. 89, komponiert im Jahre 1787, steht am Ende der mittleren Periode. Haydn schrieb siie für den Tuchgroßhändler und leidenschaftlichen Geiger Johann Trost, dem er auch 12 seiner Streichquartette gewidmet hat. Dieser ließ das Werk in Paris verlegen, von wo ja Haydns europäischer Ruhm seinen Ausgang genommen hatte. Der 1. Satz, ein Vivace in F-Dur, zeigt sofort die souveräne Beherrschung der klassischen Form in der Einführung der kontrastreichen Themenelemente des Satzes, in dem sich die einzelnen Phrasen wie ganz selbstverständlich immer neu verbinden und entfalten. In einer mit c-moll eingeleiteten Durchführung lässt Haydn die einzelnen Elemente an einem kühnen Gang durch entlegene Tonarten teilnehmen, um nach einer kurzen Beruhigungsphase mit der Reprise den Anfang des Satzes wieder aufzunehmen.
Der 2. Satz, ein Andante con moto in C-Dur, baut aus einer einfachen rhythmischen Grundfigur ein heiteres Thema auf, das fast zu einem Tänzchen einladen könnte. Das Grundmotiv wiederholt sich immer wieder, aber jedesmal hören wir eine andere Instrumentierung: die immer wieder verschiedene Mischung von Streicher- und Bläserklang ergibt oft überraschende Klangeffekte. Ein von der Molltonart geprägter Mittelteil fährt wie ein kurzer Sturm in die heitere Welt des Beginns, kann aber die gelöste Atmosphäre des anschließend wiederholten ersten Teils des Satzes nicht beeinträchtigen.
Im 3. Satz, einem Menuett mit Trio, führen die Bläser allein zu einem fröhlichen Tanz an, die Streicher fallen wohl mit ein, überlassen jedoch den Bläsern in diesem Satz die Vorherrschaft, und so wird mit kräftigen Akzenten weitergetanzt.
Der 4. Satz, ein Vivace assai, erhält seine sprudelnde Agilität zunächst durch die wirbelnden Begleitfiguren, die dem ersten Thema beigegeben sind. Ist der Satz einmal in Fahrt gekommen, wird auch die weitere Thematik von dieser Motorik angesteckt. In der Mitte des Satzes wird man unvermittelt in einen von f-moll geprägten Teil mit strenger und sehr dichter Fügung hineingerissen, und es entsteht ein dramatischer Disput aller Stimmen, aus dem wir jedoch nach kurzem Übergang wieder in die beschwingte Leichtigkeit des Satzanfangs freigegeben werden, der schließlich zu einem rasanten Abschluss der gesamten Symphonie fortgeführt wird.
Gottfried Stelzer