2015 Herbstkonzert Kritiken

Konzert – Metzinger Kammerorchester mit Jakob Manz

Reutlinger General-Anzeiger vom 23.11.2015

»Psycho« und ein Vierflöter

VON ISABELLE WILTGEN

METZINGEN. Blockflötenkonzerte gibt es aus dem Barockzeitalter viele, moderne Stücke für dieses Instrument gibt es allerdings kaum. Schade, denn wie das Konzert von diesem Samstag in der Metzinger Stadthalle gezeigt hat, lohnt es sich auf jeden Fall, das Repertoire für dieses heute unterschätzte Instrument zu erweitern. Vor allem wenn die Blockflöte von solch einem Virtuosen gespielt wird wie von dem jungen Dettinger Jakob Manz.

Er ist gerade mal vierzehn Jahre alt und schon wird extra für ihn ein Werk komponiert. Andreas Gömmel schrieb für ihn, das Metzinger Kammerorchester und den Pianisten Stephan Lenz das Stück »Four/5/6«, das durch den vielfältigen Einsatz verschiedener Blockflöten beeindruckt. Von der Sopranblockflöte bis zur Bassblockflöte sind, von der ganz hellen Sopraninoblockflöte abgesehen, alle Tonlagen dieses Instrumentes abgedeckt – vier Flöten kommen zum Einsatz. Im letzten Satz spielt Manz sogar zwei Flöten, die Sopran- und die Altflöte, gleichzeitig. Der letzte Satz ist neben diesem effektvollen Sidekick auch noch kompositorisch sehr interessant, weil er ein Barockthema, das zuvor schon in einem anderen Stück des Abends, nämlich in Vivaldis g-Moll-Konzert, zu hören war, noch einmal aufgreift.

Es wundert kaum, dass ein modernes Blockflötenstück auf die Barockliteratur zurückgreift. Besonders ist allerdings, wie dieser Rückgriff kompositorisch bewältigt wird: Einige Rhythmen werden leicht verändert, die Akzente werden anders gesetzt, dazu kommen die kommentierende Funktion des Klaviers und virtuose Passagen in der Blockflöte, die von der Spielweise eher an Neue Musik erinnern als an Barockmusik. Da sind nicht nur Flageoletttöne zu hören, da wird auch in die Flöte »gespuckt«, sie wird mit dem Knie gedämpft; selbst Vierteltöne, in der Barockmusik undenkbar, finden ihren Einsatz. Ein sehr interessantes Stück, das im Metzinger Publikum auch viel Resonanz bekommen hat.

Barock- und Thriller-Musik

Neben dieser Uraufführung boten die motivierten Mitglieder des Metzinger Kammerorchesters auch noch Altbekanntes und weniger Bekanntes in dem sehr abwechslungsreichen Herbstkonzert dar. Neben dem bereits genannten g-Moll Konzert von Vivaldi war auch noch Gustav Holsts »St. Paul’s-Suite« für Streichorchester zu hören, die durch ihre eingängigen Melodien und schwungvollen orchestralen Einsätze sowohl das Publikum als auch das Orchester selber mitsamt des Dirigenten Oliver Bensch in heitere Stimmung versetzte.

Im zweiten Teil des Konzertes war noch Filmmusik von Bernhard Herrmann aus Hitchcocks Thriller »Psycho« zu hören – eine Musik, die vor allem wegen der Duschszene des Filmes Vielen sehr intensiv im Bewusstsein sein müsste. Gefolgt wurde das Stück von zwei tieftraurigen Werken von Astor Piazzolla, bei denen Beatrice Erhart, die Konzertmeisterin des Orchesters, die Solovioline spielte. Gemeinsam mit dem Orchester schaffte sie es, das Publikum zu rühren – vor allem beim »Ave Maria« müsste die eine oder andere Träne gefallen sein. Ein sehr schönes, durchdachtes Konzert mit vielen Höhepunkten. (GEA)


Frisch, zupackend, mit viel Spielfreude

Metzinger Volksblatt vom 23.11.2015

Kraftvolle Rhythmen und Blockflöten-Wunder: Das Kammerorchester Metzingen bot beim Herbstkonzert in der Stadthalle unter Dirigent Oliver Bensch wieder ein besonderes Programm voller Überraschungen.

MANFRED FRISCHKNECHT

Die Aufführung von Kammermusik hat in Metzingen eine mehr als 90-jährige Tradition. Da gab es die Metzinger Kammermusikvereinigung 1925.

Ihr hat der Reutlinger Komponist und spätere Hochschulprofessor Hugo Herrmann (1896 bis 1967) seine als opus 13 bezeichnete „Kleine Kammermusik im alten Stil“, eine Komposition für Streichquartett und Klavier gewidmet. Und diese Komposition wurde von Mitgliedern des im Jahr 1971 gegründeten Kammerorchesters Metzingen anläßlich des 100. Geburtstages des Metzinger Kunstmalers Fritz Sprandel (1883 bis 1971) aufgeführt, dessen Ölgemälde „Waldweg“ die Stadthalle schmückt.

Warum diese Bemerkung am Anfang eines Konzertberichtes? Weil man daraus ersehen kann, dass sich die Aufführungspraxis des Metzinger Kammerorchesters nicht in den eingefahrenen Gleisen des Musikbetriebs erschöpft. Man ist also dem Neuen, dem Nicht-Alltäglichen gegenüber nicht nur offen, sondern auch tätig aufgeschlossen, damals wie heute.

So auch am Samstagabend beim Herbstkonzert des Kammerorchesters in der Stadthalle. Und da standen auf dem Programm Musikstücke von einigen Komponisten, deren Namen einem Großteil der Besucher bisher nicht bekannt waren. Am Anfang stand ein Konzert des Venezianers Antonio Vivaldi, dessen drei Sätze vom Orchester unter Oliver Bensch zupackend frisch und lebendig wiedergegeben wurde. Typische italienische Barockmusik.

Einem anderen Zeitalter entsprang die St. Paul’s Suite von Gustav Holst. Kraftvoll mit punktierten Rhythmen erklang der erste Satz, während sich im zweiten über fein ziselierten Figuren eine liebliche Melodie erhebt, die von der Soloviolinistin und Konzertmeisterin Beatrice Erhart – wie dies auch in den späteren Solopartien geschah – lupenrein bis in die höchsten Töne „gesungen“ wurde. Auch der vierte Satz bestach von der Interpretation her in tänzerischer Manier mit einer fulminanten Steigerung und einem versöhnlichen Schluss.

Dann folgte das Highlight des Abends: Die Uraufführung eines eigens für den 14-jährigen Flötisten Jakob Manz aus Dettingen von Andreas Gömmel komponierten Werkes für mehrere Blockflöten, Klavier und Streicher. Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Jakob Manz betörte, begeisterte und bezauberte die Zuhörer mit seinem Spiel auf verschiedenen Blockflöten – er bläst sogar gleichzeitig auf zwei Blockflöten. Da quirlt es, da schwillt es, da trillert es, manchmal sind auch schnarrende Töne zu erkennen, und man glaubt fast nicht, was in so einer Blockflöte alles drin ist und was man aus so einer Blockflöte alles herausholen kann. Aber es ist nicht nur die virtuose Technik mit der Jakob Manz rasante Figuren, schwirrende Triller und komplizierteste Tonfolgen spielen kann, sondern auch die von innen kommende Musikalität und Freude, die sein Spiel so faszinierend macht.

Dass in der Neukomposition von Andreas Gömmel mit ihren jazzigen, barocken und selbst romantischen Elementen auch der musikalische Humor nicht zu kurz kommt, kann man an den verschiedenen Zwiegesprächen zwischen Blockflöte und dem von Stephan Lenz gespieltem Klavier erkennen.

Nach der Pause erklangen noch eine Filmmusik von Bernhard Herrmann zu „Psycho“, bei der es einem kalt über den Rücken lief, zwei sehr melodisch und harmonisch klingende Stücke von Astor Piazzolla mit der Solistin Beatrice Erhart sowie eine Streichersuite von Karl Jenkins. Alles einer begeisterten Zuhörerschaft zur Zufriedenheit vorgetragen – von einem Orchester, dem etliche jüngere Musiker angehören, die nicht mit ernster Miene die mühevolle künstlerische Arbeit leisten, sondern denen ab und zu ein Lächeln über ihr Gesicht huscht und denen man ansieht, wie sehr ihnen ihr Spiel Freude macht bei aller Anstrengung. Anhaltender Beifall war der Lohn. Man darf auf Orffs „Carmina burana“ in Dettingen am 23. Januar 2016 gespannt sein.